Die Kleinen lernen Mitwirkung

Von Manuel Hartmann (Kl. Q1)
Redakteur der Schülerzeitung InVitrO – Die Schülerzeitung im Schaukasten und im Internet
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Die Demokratie wünscht sich ein funktionierende Schülervertretung von uns und Schüler, die etwas zu sagen haben. Eine Schülervertretung ähnlich wie die Vertretung der Eltern und die der Lehrer.  Aber zu einer Demokratie gehören Regeln. Regeln, an die sich jeder halten muss. Und eine Demokratie benötigt Strukturen, die man verstehen muss. Dass das nicht immer ganz einfach ist, wird uns oft genug in der Arbeit unserer eigenen Schülervertretung am Einstein-Gymnasium bewusst.

Dennoch sind engagierte Schüler unabdingbar für unsere „Schuldemokratie“. Aus diesem Grund waren wir, David Schubert (Kl.10/2) und ich, Manuel Hartmann (Kl. Q1), am ersten Sonnabend im Oktober wieder zur Ausbildung als Schülerfortbildner am Landesinstitut für Schule und Medien (LISUM). Wir lernen dort Seminare zu geben, die Schülern dabei helfen sollen, ein besseres Miteinander zwischen Schülern, Eltern und Lehrern aufzubauen.

2. v. l.: Bastian Schulz (ehemaliger Schülersprecher am Einstein-Gymnasium und seit Jahren Schülerfortbildner), rechts im Bild: David Schubert

 
Wir sollten uns am LISUM an jenem Sonnabende einer besonderen Herausforderung stellen. Wie kann man den Inhalt der Mitwirkung Grundschülern vermitteln? Wie können wir als Schülerfortbildner Grundschülern Mitwirkung erklären und den „Kleinen“ auf die einfachste Weise nahe bringen, was es zum Beispiel bedeutet, Klassensprecher zu sein.
Zum Glück standen wir mit dieser Aufgabe nicht ganz allein da und konnten auf die Erfahrungen der anderen zurückgreifen. Wir versetzten uns einen Tag lang in die Lage der Grundschüler, wir haben gerätselt, gespielt und gepuzzelt.  Das alles natürlich mit dem Hintergedanken der Mitwirkung. Daraus sind dann jene Methoden entstanden, die wir später in unseren Seminaren für Grundschüler nutzen werden.
Bepackt mit neuem Wissen, den effektivsten Methoden und vielen Präsentationsmaterialien traten wir die Heimreise an. Im November ist es schon soweit. Wir werden gleich in zwei Seminaren (an einer Grundschule und einem Gymnasium) unsere neu erworbenen Fähigkeiten unter Beweis stellen können. Dabei sind David und ich nicht allein, unsere kleine Gruppe hat sogar noch Zuwachs bekommen. Anna Gandre (Kl. 10/2) hat jetzt auch die Ausbildung zur Schülerfortbildnerin angetreten und wird schon bei den Novemberseminaren dabei sein. Da das erste Seminar schon bald ansteht, trafen wir uns auch noch in den Herbstferien in der Schule, um von einer erfahrenen Schülerforbildnerin neue Grundlagen für das Seminar zu erlernen. Mitwirkung kostet eben auch Zeit.

18 thoughts on “Die Kleinen lernen Mitwirkung

  1. Der Mensch ist und bleibt ein Zoon Politikon. Er braucht die Gemeinschaft, um glücklich zu leben. Da das Glück nun wiederum Endziel allen Handelns ist, sollte die Konservierung einer stabilen und gerechten Gesellschaft das natürliche Interesse aller Menschen sein. Die Repräsentative Demokratie der Bundesrepublik Deutschland bietet uns diese stabile Gerechtigkeit. Bekennen wir uns also zu ihr, handeln wir im Sinne unserer persönlichen Glückseligkeit. Leider vergessen das heute viele, wenn sie an Wahltagen den Urnen fernbleiben. Eine starke Partizipation der Schüler in verschieden Gremien richtet sich daher gegen diese Entwicklung. Die Erkenntnis, in Schulen durch Engagement etwas verändern zu können, kann das ganze Leben nachhaltig beeinflussen. Dazu müssen allerdings die Möglichkeiten der Teilhabe bekannt sein, wozu ihr durch eure Arbeit enorm beitragt. Ich las den Artikel mit großem Interesse und Anerkennung, und kann euch in eurer weiteren Tätigkeit nur viel Erfolg wünschen.

  2. Respekt für euer Engagement. Das ist wahrscheinlich der einzige Weg, etwas zu verändern – zumindest gilt das in einem kleinen Kreis wie in der Schule.
    Ja und zu Robin: Es ist mir persönlich ein bisschen zu einfach, Hymnen auf den Status quo unserer Demokratie in Deutschland zu singen und auf diejenigen zu hacken, die diesen nicht als „persönliche Glückseligkeit“ empfinden. Kannst du dir vorstellen, dass manche Menschen bewusst nicht wählen – und nicht, weil sie die Vorzüge der Demokratie vergessen haben? Die Parteien im Bundestag unterscheiden sich doch oft nicht mehr durch eine Philosophie, sondern häufig nur noch durch die Position, in der sie sich befinden – Regierung oder Opposition. Um grundlegende Veränderungen geht es meist nicht mehr, Wahlversprechen werden selten eingehalten und die Politiker sind oft nur gesteuerte Marionetten. Und denen soll man einen Pauschal-Schein überreichen, dass sie weitere 4 Jahre nach diesem Muster arbeiten? Die Nicht-Wähler-Quote steigt nicht nur wegen Faulheit, mangelnden Bewusstseins an Freiheiten, die wir durch die Demokratie genießen, oder gar schlechtem Wetter am Wahltag (wie es oft von Politikern begründet wird)!
    Aber das ist dann schon wieder ein anderes Thema. Jedenfalls toller Artikel!

  3. Lieber Johannes,
    die von dir aufgeführten Positionen leider zu vieler Bundesbürger sind mir durchaus bekannt. Sie sind so alt wie die Repräsentative Demokratie selbst, und dienen offensichtlich zur Rechtfertigung eines Fehlverhaltens. Warum sonst sehen sich „bewusste Nichtwähler“ unmittelbar nach der Darstellung ihrer Gesinnung genötigt, durch diese oder ähnliche Argumente ihren Standpunkt zu verteidigen? Wären sie selbst von der Richtigkeit ihres Verhaltens überzeugt, würden sie nicht sofort diesem Argumentationsmuster verfallen.
    Immer wenn Menschen Verantwortung und Pflichten an andere mittels einer Stimme delegieren, geben sie auch einen Teil ihrer persönlichen Freiheit auf. Sie können nicht mehr in allen Lebensbereichen frei über sich entscheiden, da die drei Gewalten (Legislative, Exekutive, Judikative) den gesellschaftlichen Rahmen des Handelns festlegen.
    Was ergibt sich nun daraus für das Individuum in unserem Staat? Es willigt mit dem Erwerb seines Wahlrechts, wenn nicht schon bei seiner Geburt, in einen Gesellschaftsvertrag ein. Wie sieht dieser Vertrag aus? Durch die aktive Beteiligung an einer Abstimmung oder Wahl überträgt man mit dem Stift Macht, und berechtigt andere Macht über ein selbst auszuüben. Ist das gerecht? Ja, da auch jeder volljährige Bundesbürger das passive Wahlrecht nutzen kann. Nimmt nun jedoch jemand nicht an dieser gemeinschaftlichen Machübertragung teil, hat die zukünftige Exekutive theoretisch keine Gewalt über ihn. Er schränkt seine Freiheit also nicht freiwillig ein, sondern wird dazu gezwungen. Hier liegt sicherlich der Ursprung der eigenen Erkenntnis des Fehlverhaltens gegen die Gemeinschaft.
    Die Parteien gehören zu der Repräsentativen Demokratie, da sie sehr wohl unterschiedlichste politische Vorstellungen und Überzeugungen vertreten. Sie sind einer der Träger des kulturellen Pluralismus im 21. Jahrhundert. Lediglich in ihrem Bekenntnis zu unserer Staatsform besitzen sie ähnliche Auffassungen. Ansonsten unterscheiden sich ihre Programme in mannigfaltigen Thematiken gravierend. Deine Darstellung einer tendenziellen Konformität unserer politischen Landschaft ist daher nicht zutreffend.
    Auch wenn ich hier energisch für unseren Staat eintrete, bin ich mir dennoch der Vor- und Nachteile anderer Systeme bewusst. Sicherlich können auch stärker plebiszitär geprägte oder gar direkte Demokratien zweckmäßig sein, wobei ich jetzt nicht auf Fragen nach dem idealen und vollkommenen Staat eingehe. Platon hat in der „Politeia“ sicherlich eine mögliche Antwort gegeben.

  4. Ich empfinde die Diskussion über die Vor- und Nachteile der Repräsentativen Demokratie und über die Konsequenzen von Nichtwählen hochinteressant.
    Mir gefällt, wie hier nicht nur wirr in den Wald gerufen wird, sondern offensichtlich eine fundierte Diskussion unter Heranziehung großer Denker der Staats- und Ideengeschichte geführt wird.
    Ich mahne jedoch dazu, Kommentare auf Verständlichkeit für die Zielgruppe (Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 7-13) zu überprüfen.
    Die Aufgabe besteht nicht darin, möglichst kompliziert und intransparent unterschiedliche Philosophien zu rekonstruieren, sondern darin, einen nachvollziehbaren und verständlichen Text zu verfassen, der es auch Schülern ermöglicht, an der Diskussion teilzunehmen.
    Robin, es ist unverkennbar, dass du dich im Bereich der Staatsphilosophie auskennst. Ich nehme an, du studierst Politikwissenschaft?
    Ich würde mich allerdings freuen, wenn in deinen Kommentaren die Theorien benannt und erklärt werden, so dass jeder die Möglichkeit hat, deinen Gedankengängen zu folgen.
    „Kommunikation nennen wir ein Beziehungsgeschehen (Interaktion) zwischen Menschen, das auf Verständnis abzielt.“ Autor: Unbekannt

  5. Lieber Bastian,
    ich verstehe deine Forderung nach einer zielgruppenorientierten Transparenz meiner Darstellungen, und erkläre sie hiermit zu einer Maxime meiner Meinungsäußerung auf dieser Seite. Rückwirkend auf meinen vorherigen Kommentar schließt dies die Darlegung grundlegender Gedanken der „Politeia“ ein.
    Ich beziehe mich hier auf jenen Abschnitt, in dem Platon die Gerechtigkeit eines „vollkommenen“ Staates beschreibt. In der Form eines Sokratischen Dialogs (hier: Gespräch zwischen Sokrates und Glaukon) findet sein großer Lehrer sie schließlich in einer Gesellschaft, in der sich jeder seiner Tüchtigkeit entsprechend einbringt. So wird sie von weisen Philosophenkönigen regiert, von tapferen Kriegern verteidigt und durch Handwerker und Bauern ernährt. Alle Mitglieder der Gemeinschaft teilen die Besonnenheit, wodurch die Regentschaft der Wächter legitimiert ist. Die Gerechtigkeit ermöglicht also die Ausbildung einer solchen gesellschaftlichen Ordnung, und stabilisiert sie zugleich. Jeder hat und tut das Eigene und Seinige.
    Weiterhin bedanke ich mich für deinen Hinweis, da mir die Transparenz meines Standpunktes ein natürliches Anliegen ist. Eine nachvollziehbare Argumentation kann schließlich zur individuellen Meinungsbildung beitragen, und in diesem konkreten Fall die Akzeptanz für unsere Demokratie erhöhen. Resultiert daraus sogar eine lebenslange Teilhabe am politischen Leben, habe ich als überzeugter Demokrat mein Ziel erreicht.
    Allerdings bleibt es mir nicht erspart, dich doch in einem Punkt zu verbessern. Ich studiere nicht Politikwissenschaften, sondern Geschichte und LER an der Universität Potsdam. Wie man an dieser Fächerkombination unschwer erkennen kann, werde ich nach dem Studium in einer kommunikationsintensiven Branche tätig sein. Daher ist mir auch dein Zitat aus der psychologischen Ringvorlesung zu den Grundlagen des Lehrens und Lernens bekannt, und ich werde es beim Verfassen zukünftiger Texte berücksichtigen.

  6. @ Robin: Ich danke dir zunächst, dass du dich bemüht hast, deine Gedankengänge verständlicher darzustellen. Die Zeitinvestition hielt sich diesmal in Grenzen 🙂 . Du hast gesagt, dass wenn man nicht wählt, kommt es zu diesem Konflikt zwischen persönlicher Freiheit, die man ja theoretisch erworben hat durch die Nichtwahl, und dem Gewaltmonopol Staat, der natürlich trotzdem Recht und Ordnung schaffen muss und die Nichtwähler in seine Gesetzgebung eingliedert. Daraus bilden sich „Spannungen“, die durch den Gang zur Urne verhindert werden können (ich hoffe, ich habe das jetzt richtig verstanden). Aber bilden sich nicht viel größere „Spannungen“, wenn Wähler von ihren jeweils gewählten Parteien aus den verschiedensten, bereits erwähnten Gründen immer wieder enttäuscht werden? Ist eine Resignation der Wähler nicht gewissermaßen verständlich? Ich weise auf „Spannungen“ in Stuttgart oder Gorleben hin.
    Zu meinem – ich gebe zu etwas verwirrenden – Bild des Theoriegebäudes: Der sandige Boden, sollte einfach bestimmte Grundannahmen symbolisieren, die in der Realität nicht zutreffen. Das Gebäude kann noch so perfekt gebaut sein, es wird in Wirklichkeit nicht stehen bleiben. Ich wollte damit verdeutlichen, dass die Diskrepanz zwischen theoretischen und tatsächlich Aussagen manchmal zu hinterfragen ist. Diese hast du ja in deinem folgenden Kommentar näher erläutert.
    Aber ich bin der Meinung, dass nur durch dieses Hinterfragen von scheinbar festgemeißelten Thesen wir die tiefergehenden Ursachen dieses Nichtwähler-Trends erkennen können, dessen Anzahl der Beteiligten übrigens in den letzten Jahren stetig gestiegen ist.

  7. @Robin:
    Nach mindestens dreimaligem Lesen deines Kommentars und unzähligen Lexikongriffen bleiben mir, neben vielen Argumenten, die mich durchaus überzeugt haben, doch einige offene Fragen:
    Zum ersten ist deine Herangehensweise an dieses Thema sehr theoretisch, so dass ich als Nicht-Politikwissenschaftler nicht die Richtigkeit einiger Thesen prüfen bzw. verstehen kann. Zum anderen finde ich es dann umso verwerflicher, andere Meinungen, die nicht einer solchen theoretischen Argumentationsstruktur entstammen, als Eingeständnis des jeweiligen Fehlverhaltens zu werten. Es gibt durchaus Menschen, die Politik nur mit eigenen Erlebnissen und Erfahrungen – positiver wie auch negativer Art – verknüpfen. Und irgendworan muss es ja liegen, dass die Nichtwählerquote immer weiter steigt. Auch ein scheinbar exaktes Theoriegebäude kann auf sandigem Boden gebaut sein!
    Ein Zitat, dass das vielleicht verdeutlicht (oder ich habe es falsch verstanden, dann korrigiere mich bitte!): „Nimmt nun jedoch jemand nicht an dieser gemeinschaftlichen Machtübertragung [also der Wahl] teil, hat die zukünftige Exekutive theoretisch keine Gewalt über ihn.“
    Was sagt dieser Satz denn bitte aus? Wir wissen, dass derjenige, der sein Recht – nicht zu wählen – nutzt, sich trotzdem den Gesetzen der jeweiligen Regierung unterziehen muss (und zwar zu Recht), da dann einfach die Stimmen der Wähler im Verhältnis zu den Nichtwählern relativ höher gewichtet werden. Es geht doch schließlich um die Prozente innerhalb der Wähler. Wenn es so wäre, wie du sagst, müssten doch eher für den Anteil der Nichtwähler-Stimmen leere Stühle im Bundestag entstehen (was das Problem natürlich auch nicht lösen würde, weil dann einfach die Macht auf noch weniger Politiker konzentriert wird).
    Bitte beziehe dich doch in deinem nächsten Kommentar bitte ein wenig mehr auf die Realität. Das würde – so glaube ich – vielen Schülern, die deinen Kommentaren folgen möchten, erheblich helfen.

  8. Lieber Johannes,
    ich möchte anfangs dein politisches Interesse ausdrücklich loben. Das Hinterfragen der gesellschaftlichen Verhältnisse sollte eigentlich bei jedem Menschen integrierter Bestandteil der Adoleszenz (Heranwachsen) sein. Diese anfängliche Skepsis gegen den Staat und seine Institutionen lässt zwangsläufig die individuelle Suche nach Alternativen beginnen. Kein Demokrat darf das willenlose Eingliedern der Bürger in ein bestehendes System erstreben oder gut heißen. Die Repräsentative Demokratie kann aber durchaus Ausgang und Ziel einer solchen Suche sein.
    Folgend gehe ich auf das Zitat ein. Die prozentuale Verteilung von Stimmen und die daraus resultierenden Sitze einer politischen Interessengemeinschaft im Bundestag oder anderen Parlamenten waren bei meiner Darstellung allenfalls sekundär. Du hast leider die Quintessenz meines Problems mit dieser Situation nicht erfasst. Allerdings stimme ich dir zu, dass es sich hier um ein recht theoretisches und vielleicht sogar abstraktes Dilemma handelt. Wir bilden alle eine Gemeinschaft, und müssen folglich unser Zusammenleben regeln. Nach dem Zweiten Weltkrieg entschieden sich die weisen Gründungsväter der Bundesrepublik für die Repräsentative Demokratie. Ein kleiner Teil der Menschen vertritt also die große Mehrheit, und unser Grundgesetz gibt den Rahmen des Handelns vor.
    Hier wird mein Problem deutlich. Beteiligt sich jemand nicht an der Machtübertragung, behält er die vollständige Verfügungsgewalt über sich. Er bleibt also vollkommen frei und schränkt sich selbst nicht für die Gemeinschaft ein. Die Realität lehrt uns, dass sich hieraus kein praktisches Problem ergibt. Mich beunruhigt das moralische Dilemma dieser Situation, das du offensichtlich selbst erkannt hast. Der Nichtwähler wird ebenso gezwungen, sich den Gesetzen zu unterwerfen. Will der Staat sich selbst und die gesellschaftliche Ordnung erhalten, muss er nun auch solche Menschen maßregeln. Sie werden dadurch ihrer Freiheit beraubt, die sie nicht freiwillig hergaben. Der Staat muss nun zwischen moralischem Zugeständnis der Freiheit und Stabilität entscheiden. Der Nichtwähler erzwingt also eine Ungerechtigkeit gegen sich selbst. Dieses Dilemma führt zu Spannungen, die jedoch durch die Beteiligung an Abstimmungen verhindert werden können.
    Deine Theorie des „sandigen Bodens“ unter Staatskonstruktionen kann ich nicht nachvollziehen. Die Menschen bilden immer das Fundament eines Staates, und diese sollten nicht als „sandig“ bezeichnet werden. Vielleicht füllen wir diesen Begriff mit unterschiedlichen Inhalten, denn ich verbinde mit diesem Adjektiv in Bezug auf uns Menschen eine unstetige, wandelbare und willenslose (Sand lässt sich ohne Widerstand in viele Formen bringen) Haltung. Nach Jahrhunderten des Blutvergießens für Demokratie und Freiheit wirst du uns ja wohl kaum so beschreiben wollen. Wir haben uns stetig zur Demokratie hin entwickelt, und haben dabei unseren Willen nach Gerechtigkeit nie gewandelt.
    Abschließend möchte ich an eine deiner Aussagen anknüpfen. Sicherlich verbinden viele Menschen die Politik mit eigenen Erlebnissen, und eines der erhebendsten ist wahrscheinlich die Stimmabgabe für eine demokratische Partei. Lasst uns also alle die Politik zu einer positiven Erfahrung kollektiver Art werden, und aktiv gegen antidemokratische Parteien mit häufig menschenverachtenden Zielen votieren. Ich bedanke mich für deine Aufmerksamkeit und Zeitinvestition.

  9. Ich bin wirklich beeindruckt, wie aus so einem kleinen Mitwirkungsartikel eine derart große Diskussion entstehen kann. Dafür erst mal großen Respekt an alle Beteiligten.
    Ich möchte nochmal auf einen der Auslöser dieser Debatte eingehen, und zwar die Nichtwähler. Denn selbst für jene Wahlberechtigten, die der Meinung sind, die Parteien unterscheiden sich nur in Opposition und Regierung, wäre es doch das Beste, Ihre Stimme zu entwerten. Auch wenn sie keine Partei wählen wollen, treiben sie doch mit der entwerteten Stimme die Gesamtzahl der Wahlteilnehmer in die Höhe, an der immerhin der prozentuale Anteil der einzelnen Parteien gemessen wird. Das würde bedeuten, wenn die Anzahl der Stimmen steigt und die Anzahl der Stimmen für die gewählte Partei gleich bleibt, sinkt der prozentuale Anteil und damit die Anzahl der Plätze der jeweiligen im Parlament. So könnte man als überzeugter Nichtwähler wenigstens sichergehen, dass nicht die „falsche“ Partei die meisten Plätze bekommt.
    Ich hoffe, das war irgendwie verständlich. Korrigiert mich bitte, wenn da ein Denkfehler enthalten ist.

  10. @ Manuel: Ok, das mag eine Möglichkeit sein. Das würde bedeuten, dass ich eine Partei wählen müsste, die nicht im Bundestag sitzt, weil ich ja der Meinung bin, dass es vollkommen unerheblich ist, welche dieser Parteien in der Regierung sitzt. Eine andere Möglichkeit wäre die, dass ich von meinem passiven Wahlrecht Gebrauch machen müsste (wie das von Robin bereits richtig dargestellt hat) und eine eigene Partei gründe, die sich wirklich von den anderen unterscheidet. Dann könnte ich mich sozusagen reinen Gewissens selbst wählen. Das Problem dabei ist, dass ich es höchstwahrscheinlich niemals in den Bundestag schaffen würde. Falls doch, dann verweise ich mal ohne Wertung auf die Entwicklung der Grünen …
    Aber nochmal zu deiner Grundaussage: Würden tatsächlich alle Nichtwähler deinem Vorschlag nachkommen, dann müsste der Anteil der Parteien, die immer unter Sonstiges verbucht werden, erheblich steigen, wahrscheinlich ohne, dass eine von diesen Parteien auch je einen Sitz ergattern würde (dazu gibt es einfach zu viele verschiedene Parteien). Das ist auch gut so, wie uns die Weimarer Republik eindrucksvoll gelehrt hat. Jedoch haben Politiker davor weniger Angst, weil sie dann immer auf die ausgesprochen hohe Wahlbeteiligung verweisen können und sich als verdiente Sieger fühlen. Eine niedrige Wahlbeteiligung weckt da schon eher Skepsis an ihrer Politik.

  11. @ Robin: Ich danke dir zunächst, dass du dich bemüht hast, deine Gedankengänge verständlicher darzustellen. Die Zeitinvestition hielt sich diesmal in Grenzen 🙂 . Du hast gesagt, dass wenn man nicht wählt, kommt es zu diesem Konflikt zwischen persönlicher Freiheit, die man ja theoretisch erworben hat durch die Nichtwahl, und dem Gewaltmonopol Staat, der natürlich trotzdem Recht und Ordnung schaffen muss und die Nichtwähler in seine Gesetzgebung eingliedert. Daraus bilden sich „Spannungen“, die durch den Gang zur Urne verhindert werden können (ich hoffe, ich habe das jetzt richtig verstanden). Aber bilden sich nicht viel größere „Spannungen“, wenn Wähler von ihren jeweils gewählten Parteien aus den verschiedensten, bereits erwähnten Gründen immer wieder enttäuscht werden? Ist eine Resignation der Wähler nicht gewissermaßen verständlich? Ich weise auf „Spannungen“ in Stuttgart oder Gorleben hin.
    Zu meinem – ich gebe zu etwas verwirrenden – Bild des Theoriegebäudes: Der sandige Boden, sollte einfach bestimmte Grundannahmen symbolisieren, die in der Realität nicht zutreffen. Das Gebäude kann noch so perfekt gebaut sein, es wird in Wirklichkeit nicht stehen bleiben. Ich wollte damit verdeutlichen, dass die Diskrepanz zwischen theoretischen und tatsächlich Aussagen manchmal zu hinterfragen ist. Diese hast du ja in deinem folgenden Kommentar näher erläutert.
    Aber ich bin der Meinung, dass nur durch dieses Hinterfragen von scheinbar festgemeißelten Thesen wir die tiefergehenden Ursachen dieses Nichtwähler-Trends erkennen können, dessen Anzahl der Beteiligten übrigens in den letzten Jahren stetig gestiegen ist.

  12. Vielleicht melde ich mich hier nochmals zu Wort, um ein wenig moderierend tätig zu werden
    Im Prinzip besteht hier eine wesentliche Problematik in der Diskussion. Denn hier werden unterschiedliche Zugänge zu einem Thema gewählt.
    Zum einen ist es ein theoretischer Zugang, den Robin hier mit der Erläuterung des Kontraktualismus wählt. Der Kontraktualismus ist eine philosophische Denkrichtung, um eine theoretische Erklärung über die Entstehung eines Staates zu geben. Bekannte Kontraktualisten sind z.B. John Locke oder Thomas Hobbes. (Robin, auf welchen Kontraktualisten stützt du dich in deinen Beiträgen?)
    Zum anderen ist es ein realpolitischer Zugang, den Johannes nutzt, um das Problem des Nichtwählens zu diskutieren.
    Es wäre hilfreich, um die Nachvollziehbarkeit von Argumenten noch weiter zu erhöhen, wenn der jeweils andere versucht, die Zugangsmöglichkeit seines Vorredners zu nutzen, um Gegenargumente zu bringen. Anschließend können darüber hinausgehende Informationen gerne von der eigenen Perpektive eingebracht werden.
    Das der moderierende Hinweis. Jetzt noch eine Anmerkung und ein paar Fragen?
    (@ Robin:) Es steht außer Frage, dass viel Blut geflossen ist für die Demokratie. Aber schaut man sich z.B. die Französische Revolution an, muss man sich fragen, ob es stets ein Kampf war, der ausschließlich für die Demokratie war und ob die Mehrheit der Bevölkerung diese Regierungsform überhaupt wollte.
    Ich weiß auch, dass zum Erhalt von Monarchien oder aber auch Diktaturen eine Menge Blut geflossen ist und das sogar in jüngster Geschichte. Ob die Bevölkerung, die in diesen Regierungssystemen lebten und für den Erhalt kämpfen musste, dies stets aus voller Inbrunst und Passion gemacht hat, bleibt genauso fraglich.
    Ich würde auch bestreiten, dass „wir“, wer auch immer das im Detail sein mag, uns stetig zur Demokratie hin entwickelt haben. Ganz im Gegenteil, nach der Weimarer Republik kam die nationalsozialistische Diktatur und danach (für ein Teil Deutschlands) die DDR-Diktatur. Dazu kommt, dass es auch heute noch in der deutschen Gesellschaft Bürger_innen gibt, die eine Monarchie bevorzugen. Oder noch viel deutlicher (und das sage ich bezüglich einer relativ aktuellen veröffentlichten Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung) ein nicht ganz unbeachtlicher Teil deutscher Bürger_innen wünscht sich „einen starken Führer.“ Wie wacklig diese Demokratie ist und wie viele Bürger_innen diese Regierungsform wirklich haben wollen, bleibt hinsichtlich solcher Fakten fraglich.
    Was will ich sagen: Ich glaube nicht, dass die deutsche Gesellschaft so demokratisch ist, wie man gemeinhin behauptet und ich glaube auch nicht, (in Vorgriff auf eine Frage, die ich gleich stellen werde) dass die Demokratie, in welcher Form auch immer, die letzte Regierungsform sein wird.
    Jetzt die Fragen:
    Ist Nicht-Wählen tatsächlich ein Problem? Wenn ja, warum? Was sind Gründe für’s Nicht-Wählen? Welche Konsequenzen müssen daraus gezogen werden?
    Wird die repräsentative Demokratie, wie wir sie jetzt kennen, auf ewig Bestand haben?

  13. Lieber Bastian,
    anfangs versuche ich dir deine eingangs gestellte Frage zu beantworten. Da mich die Ideen verschiedener Philosophen beeinflussten, scheint mir diese Darlegung zweckmäßig. Ich bezog mich in meiner Darstellung im Wesentlichen auf Thomas Hobbes, wobei ich nicht alle seiner Ansichten teile. Bei der grundsätzlichen Betrachtung des Menschen als politisches Wesen orientierte ich mich an Aristoteles, da ich den Menschen im Naturzustand durchaus nicht als egozentrisch und apolitisch bezeichnen würde. Weiterhin bin ich kein Royalist wie Hobbes, und präferiere wie Kant eine republikanische Staatsform. Ich interpretiere den „Leviathan“ daher als Verkörperung der Exekutive, und nicht als absoluten Monarchen. Letztlich verstehe ich die Gewaltenteilung als wesentlichen Bestandteil des Gesellschaftsvertrages.
    Wie ich in meinem letzten Beitrag bereits erwähnte, ist mir mein theoretischer Zugang zu dem Thema durchaus bewusst. Daher gab ich auch zu bedenken, dass die Verweigerung der Stimmabgabe in der Realität praktisch kein Problem für die Gesellschaft darstellt.
    Anschließend gehe ich genauer auf deine Anmerkungen bezüglich meines Kommentars ein. Ich habe nicht ausgeschlossen, dass jede Auseinandersetzung immer multifaktoriell beeinflusst ist. Natürlich wird jeder Kampf immer auch durch die nebengeordneten Interessen führender Persönlichkeiten und Gruppen geprägt. Sicherlich war das auch 1789 der Fall, und spätestens Napoleons persönliche Interessen verdrängten die revolutionären Gedanken der ersten Jahre in die zweite Reihe. Deine fortführende Frage erschließt sich mir nicht gänzlich. Warum sollte die Mehrheit im Frankreich des späten 18. Jahrhunderts „diese Regierungsform“ nicht gewollt haben? Die einzige Alternative war die Unterdrückung durch den bourbonischen Absolutismus, und ich wage zu behaupten, dass die bäuerliche Mehrheit der Franzosen durchaus jede andere Staatsforme begrüßte.
    Dass etwa Geplänkel mittelalterlicher Fürsten oder die Vernichtung ganzer Armeen im 2. Weltkrieg Millionen Menschen das Leben kosteten und nicht der Entwicklung der Demokratie dienten ist ein Faktum, das ich nicht zur Debatte stellte. Allerdings gehe ich sehr wohl davon aus, dass die Menschen nie freiwillig für dermaßen niedere Zwecke ihr Leben gaben. Zwang oder Propaganda beraubten sie ihrer Freiheit, wodurch sie weder leidenschaftlich noch passioniert eine Monarchie oder Diktatur verteidigen konnten. Für mich ist an dieser Situation nichts „fraglich“.
    Weiterhin bekräftige ich meine These, dass wir uns kontinuierlich zu der Demokratie hin entwickelt haben. Mit „wir“ schließe ich all diejenigen Menschen ein, die prinzipiell nach Gerechtigkeit und Freiheit streben und strebten. Deine vermeintlichen Gegenbeispiele unterstützen meine Annahme nur. Immer wenn unterdrückende Institutionen zusammenbrachen und ihnen die zugehörigen Systeme folgten, entstand ein enormes Machtvakuum. Wie soll die erst allmählich keimende Pflanze der Demokratie diese Lichtung im Wald sofort restlos füllen? Bis sie sich vollständig konstituiert hat, sind allerdings die Gedanken an das alte System noch lebendig. Häufig kommt es dann leider zu einer Wiederbelebung dieser. Revolutionen und Reaktionen bedingen sich gegenseitig. Deine aufgeführten Umfrageergebnisse bestätigen das. Unsere Repräsentative Demokratie ist noch nicht alt, und das Vakuum des Deutschen Reiches noch nicht vollständig gefüllt. Mit jedem Tag ihres Bestehens wird sie aber stärker und senkt damit die Gefahr einer neuerlichen Reaktion. Deshalb sollten wir die Demokratie mit allen Kräften schützen, dass auch unsere Kinder die Früchte der Freiheit ernten können!
    Meine Standpunkte zu deinen abschließenden Fragen habe ich bereits deutlich gemacht. Praktisch stellt eine ausbleibende Beteiligung an Wahlen kein Problem dar, wodurch sie auch ohne direkte Konsequenzen bleibt. Die Auflistung der Gründe für solches Verhalten würde weitere Seiten füllen, weswegen ich dir hierzu eine Antwort schuldig bleibe. Ich bitte dies zu entschuldigen.
    Schließlich ist es mir aber noch ein Bedürfnis, auf deine letzte Frage einzugehen. Ob die Repräsentative Demokratie in ihrer jetzigen Form bestehen bleibt, kann uns nur die Zukunft zeigen. Sie muss sich zwangsläufig mit den Menschen wandeln und anpassen. Das macht sie lebensfähig und führt zu einer Akzeptanz in der Gesellschaft. Die Grundstrukturen müssen aber erhalten bleiben! Ich würde soweit gehen und sagen, dass die weitere Existenz der Deutschen von einer handlungsfähigen Repräsentativen Demokratie abhängt. Ihr Fortbestand durch Schutz und Pflege sollte unser aller Ziel werden, dass wir frei, gleich, solidarisch und vor allem gemeinsam anstreben!

  14. Die Frage an der philosophischen Wursttheke lautet: „Wie komplex hättens denn gern? Darfs ’n bisschen mehr sein?“
    Mir wäre im übrigen neu, dass es in Deutschland einen Gesellschaftsvertrag gibt! Und mir wäre auch neu, dass man mit dem Gang zur Wahl sich automatisch der „Staatsgewalt“ beugt, und wenn man nicht wählen geht, sich dieser dennoch beugen muss. Der Gang zur Wahl bildet für den Staat keine Legitimation seiner selbst durch das Staatsvolk. Die Möglichkeit des Gangs zur Wahl ist die Folge unserer Regierungsform.
    Und dann noch dazu aufgetischt von mir, et voila: die drei Gewalten legen nicht den Rahmen des gesellschaftlichen Handelns fest! Wenn man ihn überhaupt als gesellschaftlichen Rahmen bezeichnen möchte, ich verwende mal lieber „rechtlicher Rahmen unserer Gesellschaft“, dieser wird allein durch die Legislative festgelegt, durch niemand anderes!
    Liebster Bastian, noch eine Frage an dich, seit wann schreibst du denn BürgerInnen so: Bürger_innen??? Etwa zu viel mit Gendermainstreaming auseinander gesetzt? 🙂

  15. Ludwig,
    wie nun bereits mehrfach erwähnt, beschrieb ich ein theoretisches und moralisches Problem der ausbleibenden Beteiligung an Wahlen. Ferner ist dadurch auch der gesellschaftliche Vertrag eine postulierte Basis unseres Zusammenlebens, da wir den Naturzustand überwunden haben. Dir muss also das Vertragswerk weder bekannt sein (kann dir also „neu“ sein), noch musst du explizit und aktiv in jenes einwilligen. Deine bloße Existenz als Teil dieser Gemeinschaft und/oder die Teilnahme an den periodischen Machtübertragungen (Wahlen) genügen als Signum. So gesehen aktualisieren und verlängern Abstimmungen den Vertrag. Ich korrigiere mich insoweit, als auch die überzeugte Vorenthaltung der eigenen Stimme durchaus eine tief politische Handlung sein kann. Allerdings bestehe ich weiterhin auf die moralischen Schwierigkeiten, die aus einer fehlenden Beteiligung aus einfachem Desinteresse resultieren.
    Du beschreibst weiterhin praktische Probleme der Repräsentativen Demokratie. Ich versuche deinen Gedankengang zu rekonstruieren. Unabhängig von der Beteiligung an einer Wahl, muss niemand die Staatsgewalt anerkennen. Die Wahl als solche ist nur Beiwerk „unserer Regierungsform“, und damit entbehrlich. Der Staat legitimiert sich also selbst, wodurch jede Abstimmung ad absurdum geführt wird.
    Ich will dir die Folgen deiner Thesen verdeutlichen. Erst einmal herrschte Anarchie, da niemand prinzipiell das staatliche Gewaltmonopol anerkennen müsste. Jeder hätte das Recht, sich der Staatsmacht offensiv zu widersetzen. Schließlich wäre auch die bloße Bezeichnung der Staatsform falsch, da Wahlen untrennbar mit der Demokratie verbunden sind. In diesem Fall verdiente die Repräsentative Demokratie ihren Namen nicht, und dürfte wohl Autokratie geschimpft werden. Zum Vorteil aller entspricht diese Schilderung nicht der Realität. Allerdings erscheint mir auf dieser Plattform des Meinungsaustausches ein praktischer Zugang zu diesem äußerst komplexen Thema zunehmend effektiver. Eine Betrachtung und folgende Interpretation der gegenwärtigen Verhältnisse kann zweckmäßig sein, wenn die bloße Analyse dieser nicht vorab misslingt.
    Für meine folgenden Überlegungen ist es erforderlich, den gesellschaftlichen Rahmen des Handelns zu charakterisieren. Die Gesellschaft als Ergebnis der Interaktion verschiedenster Individuen besitzt einen allgemeingültigen Wertekanon. Dieser ist generell anerkannt, weshalb Verstöße auch von jedem als solche identifiziert werden. Mit seiner Hilfe unterscheiden wir moralisch gute von schlechten Handlungen. Wer also nach diesen Werten handelt oder sich in seinen Handlungen an ihnen orientiert, bewegt sich im gesellschaftlichen Rahmen. In welchem Zusammenhang stehen nun diese Tatsache und die Gewaltenteilung? Sie legt diesen Rahmen fest, der sich aus dem gesellschaftlichen Konsens ergibt. Was die Mehrheit der Bevölkerung als Wert akzeptiert, wird durch die Legislative Gesetz, durch die Exekutive umgesetzt und von der Judikative überwacht. Da auch Mehrheiten irren können, sind Menschen- und Bürgerrechte unantastbar durch das Grundgesetzt geschützt. Ich stimme dir also eingeschränkt in dem Punkt zu, dass ausschließlich die Legislative den rechtlichen Rahmen festlegt. Der gesellschaftliche Rahmen des Handels aber wird sehr wohl von den drei Gewalten kooperativ festgelegt!
    Hierbei ist eventuell noch kritisch anzumerken, dass die Verfassungsrichter in Karlsruhe jüngst durch Anweisungen selbst neue Gesetze bedingten. Ob sie gelegentlich ihre Kompetenzen überschreiten, sollen andere klären. Dazu fehlen mir die nötigen Einblicke und Informationen.
    Abschließend möchte ich deine vorangestellte Metapher kritisieren. Grundsätzlich schätze ich eine bildhafte Sprache, finde sie aber in diesem Kontext unangemessen. Die Wurst soll hier offensichtlich für die Philosophie stehen (Platon, Hume, Kant usw. dementsprechend als Schlächter?). Nun dienen Fleischwaren der Befriedigung eines äußerst niederen Triebes, da wir den Hunger mit den Tieren teilen. Das Streben nach Weisheit aber ist nur uns Menschen eigen. Hunger ist vielleicht mit „ein bisschen mehr“ Nahrung zu stillen und aus dem Sinn, wogegen die Liebe zur Weisheit immer unser Handeln bestimmt.

  16. Lieber Robin,
    ich bekräftige meine Aussage, dass es keinen gesellschaftlichen Vertrag gibt! Es gibt ihn nicht, zeige mir bitte das Vertragswerk, es gibt kein Vertragswerk, und auch deine These, dass man dem Vertrag weder zustimmen muss o.s. zeigt, dass es einen solchen Vertrag weder gibt, noch geben wird. Ein Vertrag ist ein durch mindestens zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande gekommenes Rechtsgeschäft, und hier liegt eindeutig kein Rechtsgeschäft vor! Des Weiteren würde man zwischen der Beziehung von Staat zu Bürger auch nie von einem Vertrag sprechen. Es gibt also keinen Vertrag zwischen dem Staat und dem Einzelnen.
    Ein Hinweis an dich, nach Jellinek ist der Staat im völkerrechtlichen Sinne definiert durch die Merkmale Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt. Man sollte daher den Staat nie mit der eigentlichen Regierung verwechseln, alles andere wäre fatal.
    Der Staat besteht aus sich heraus, was heißt das? Bei der Staatsgründung hat sich das Staatsvolk im Staatsgebiet mit einer gewissen Finalität eine Regierungsform auferlegt, in unserem Fall die repräsentative Demokratie. Die „gewisse“ Finalität ist übrigens in unserer Verfassung, dem Grundgesetz, verankert und manifestiert. Genannt sei hier die Ewigkeitsklausel in Art. 79 Abs. 3 GG. Dieser manifestiert den Artikel zur Menschenwürde (Art. 1 GG) und den Artikel zu den Staatsstrukturprinzipien (Art. 20 GG). Somit ist also auch unsere Regierungsform manifestiert. Sie muss also nicht durch jede Wahl neu legitimiert werden!!!
    Der Erläuterung zum gesellschaftlichen Rahmen des Handelns kann ich soweit bis „von der Judikativen überwacht“ folgen und dem auch zustimmen. Aber, es gibt keine kooperative Festlegung des Rahmens durch die 3 Gewalten. Nun gut, die Regierung hat als Teil der Exekutive ein Gesetzesinitiativrecht im Bundestag, aber sonst sehe ich da keinerlei kooperative Festlegungen durch die 3 Gewalten. Das ist auch Sinn der Teilung, diese ist vor allem auch historisch bedingt. Und überhaupt sind die Rechte im Grundgesetz nicht unbedingt geschützt und manifestiert, aber das würde jetzt eindeutig zu weit führen mit Schranken-Schranken und verfassungsimmanenten Schranken und dergleichen.
    Generell würde ich raten nicht so viel über unsere Regierungsform und dergleichen zu philosophieren, es sind Realitäten, manifestiert und legitimiert. Dazu bedarf es keiner regelmäßigen Wahl oder dergleichen, der Staat muss sich nicht bei jeder Wahl neu legitimieren, ob’s denn noch jeder so gern hätte oder was anderes gewünscht ist.
    Und ja, die Wahlen sind die Folge unserer Regierungsform, da sie die Regierung oder besser gesagt das Parlament bestimmt. Nochmals: der Staat braucht sich nicht immer wieder neu legitimieren, das hat er schon getan, und ich verweise nochmals auf die völkerrechtliche Definition eines Staates nach Jellinek, das einzige, was wir alle 4 Jahre auf Bundesebene bestimmen ist, wer die Mehrheit im Parlament hat und wer somit eine Regierung bilden darf oder soll. Der Staat besteht auch sich heraus, der Staat als Subjekt ist originär.
    Und dann noch zu deinem Kommentar zu meiner Metapher: unser Handeln wird sicherlich nicht nur durch die Liebe zur Weisheit bestimmt, ganz im Gegenteil, unser Handeln wird unbewusst gesteuert, vor allem durch Hormone, Erfahrungen etc. ….
    Ich habe übrigens nie behauptet, dass man sich der Staatsgewalt widersetzen kann, vor allem nicht durch eine Nichtwahl. Die einzige Möglichkeit, sich ihr zu widersetzen, ist wohl auf profane Weise das Land zu verlassen.

  17. Lieber Ludwig,
    natürlich ist dieser Gesellschaftsvertrag kein ausgefertigtes Schriftwerk, vielmehr handelt es sich hierbei um eine unbewusste Übereinkunft hypothetischen Charakters. Sie ermöglicht erst die Organisation des politischen Zusammenlebens und ist somit Basis jeder Rechtsordnung. Nach Thomas Hobbes verspürt der Mensch einen unbeschreiblichen Widerwillen gegen die Existenz im Naturzustand, da dieser die schlechten Eigenschaften in uns begünstigt und damit das Böse fördert. Da der Zustand im Wesentlichen durch Rechtsferne gekennzeichnet ist, überzeugt Hobbes These hier absolut. Selbstverständlich wollen wir in geordneten Verhältnissen leben und nicht permanent unseren Nächsten fürchten müssen. Das Endziel des menschlichen Handelns ist die Glückseligkeit, und diese realisiert sich nur im Gesellschaftszustand. Wie gelangt man nun in einen solchen Zustand? Die Antwort liegt auf der Hand. Der freiwillige Abschluss eines Vertrages aller zukünftigen Gesellschaftmitglieder begründet jenes allgemein angestrebte Verhältnis. Ich verweise hier wiederholt auf den theoretischen Charakter solcher staatsphilosophischen Gedanken. Ebenso entschuldige ich mich, dir die Kenntnis der oben beschriebenen Tatsachen unterstellt zu haben. Sollte ich eine konkrete Erläuterung meiner Vorstellung schuldig geblieben sein, hoffe ich nun ausreichend Transparenz hergestellt zu haben.
    Daher bedanke ich mich bei dir für die offene Darlegung deiner Quellen. Du beziehst dich also auf staatsrechtliche Theorien Georg Jellineks. Ich gebe allerdings zu bedenken, dass abweichende Betrachtungen nicht kategorisch zu verwerfen sind. Da eine Diskussion anderer Theorien zu weit führte und der eigentlichen Debatte nicht zuträglich wäre, gehe ich auf die weitere Kritik ein.
    Dein folgender Verweis auf die Ewigkeitsklausel und die nicht notwendige Legitimation der Regierungsform wirkt fehlplatziert, wenn man die Wahl im Kontext des oben geschilderten Gesellschaftsvertrages deutet. Hier könnte sie durchaus als eine Aktualisierung oder Verlängerung verstanden werden, wodurch eine Legitimation einträte.
    Weiterhin bezog ich mich auf die Menschen- und Bürgerrechte, die natürlich durch das Grundgesetz geschützt sind. Du hast dich doch selbst auf die Ewigkeitsklausel bezogen, die zumindest die Menschenrechte mit einschließt.
    Die Wahlen sind also nach deiner Auffassung tatsächlich nur Beiwerk. Wären sie nicht festgeschrieben und manifestiert, könnten sie ebenso entfallen. Ich messe ihnen allerdings noch einen moralischen Wert bei, der sie über jede Verbindlichkeit aufwertet. Der Ausdruck einer politischen Meinung durch eine Stimmabgabe sollte wenigstens den Anschein einer Legitimation erwecken. Sicherlich stimmt man rechtlich korrekt nur über die Zusammensetzung des Parlamentes ab, doch sollte jeder mit diesem Akt der Demokratie mehr verbinden.
    Abschließend möchte ich auf deinen vermuteten Antrieb unseres Handelns eingehen, der nach dir eher einem animalischen Trieb entspricht. Dieser Trieb ist wohl biologisch bedingt, wodurch wir de facto willenlos wären. Du verwendest „unbewusst“, dass eindeutig die menschliche Passivität beschreibt. Der Mensch folgt also als Opfer seiner Triebe endogenen Prozessen auf biologischer Ebene. Nun nennst du zusätzlich die Erfahrung, obwohl diese doch selbst dem Drang nach Erkenntnis entspringt. Ich versuche den Widerspruch zu verdeutlichen. Unser Verstand bedingt Interesse und damit einen Drang nach Erkenntnis und Wissen. Erfahrungen resultieren also aus einer gewissen Liebe zu Wissen. Sie können nicht das Handeln bedingen, da sie häufig sein Zweck sind. Der Verstand leitet also unser Handeln und ist grundsätzlich selbst ein Streben nach Weisheit.
    Dennoch danke ich dir für die Darstellung deiner Meinung, auch wenn die Diskussion recht weit vom Ausgangsthema abweicht. Dies ist sicherlich auch meinen Beiträgen geschuldet. Daher möchte ich letztlich erneut die Arbeit von Schülerfortbildnern und den Mitgliedern schulischer Mitwirkungsgremien loben. Der engagierte Einsatz für die Rechte der Schüler kann nicht ausreichend geehrt werden.

  18. Ich hatte mir eigentlich schon vor zwei Wochen vorgenommen, einen Kommentar zu diesem Thema zu schreiben. Da ich aber recht viel zu tun hatte, bin ich erst jetzt dazu gekommen. Doch als ich mir dann die bisherigen Kommentare von Robin und Ludwig durchgelesen hatte, habe ich den Computer erst einmal wieder ausgeschaltet. Wer soll denn da durchsehen, wenn ihr hier nur von Politphilosophen sprecht, die wir vor längerem kurz in der Schule behandelt haben. Da müsste ich mich, als jemand, der sich nicht so genau mit diesen beschäftigt hat, mich ja erst einmal hineindenken, um zu verstehen, was ihr sagen wollt. Und an unsere Schule gehen doch Schüler von der 7. bis zur 13. Klasse. Wie sollen sich denn die jüngeren Schüler unserer Schule in eure Kommentare hineindenken, wenn schon ich als Zwölftklässler Schwierigkeiten damit habe? Daher nun mal ein paar praxisnähere Gedanken zu dem Thema.
    In gewisser Weise stimme ich damit überein, dass die Wahl auch eine Art Legitimation der Demokratie darstellt, auch wenn die Demokratie in der Verfassung verankert ist. Die Wähler bestimmen ihre Vertreter im Parlament für eine weitere Legislaturperiode. Damit stimmen sie gewissermaßen deren Entscheidungen in den Vergangen Jahren zu und beauftragen sie für weitere vier bzw. fünf Jahre. Wenn viele Menschen nicht mehr zur Wahl gehen, ist dies ein Zeichen von Unzufriedenheit mit den politischen Parteien. Diese Unzufriedenheit könnte, wenn sie länger anhält, auch auf das System übertragen werden. Somit kann diese Unzufriedenheit zum großen Problem werden. Obwohl ich die Demokratie für die beste Lösung halte, kann ich kann diese Unzufriedenheit gut verstehen.
    Auch wenn in der Politik recht viele bedeutende Entscheidungen getroffen werden, wie vor einigen Jahren die Mehrwertsteuererhöhung und die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre oder jetzt die Eurorettung und Stuttgart 21, so haben viele Menschen das Gefühl, nichts ändern zu können. In der „großen“ Politik merken viele Menschen keine Auswirkungen ihrer Wahl. Die Konzepte der Parteien stoßen entweder auf Ablehnung, scheinen unrealistisch bzw. undurchsichtig oder sind nahezu identisch. Schon oft wurden nach Wahlen Gesetze beschlossen, von denen zuvor nie die Rede war. Unter Anbetracht dessen ist es doch verständlich, dass immer weniger Menschen zur Wahl gehen. Von einigen Themen, die wirklich wichtig erscheinen, wie die Armut in der Dritten Welt, die Spekulation mit Nahrungsmitteln und die Verhinderung einer neuen Bankenkriese werden von den Parteien kaum Vorschläge gemacht. Und wenn Vorschläge gemacht werden, so gibt es Probleme in der Umsetzung, da an diesen Themen immer andere Länder mit beteiligt sind. Natürlich ist dies für die Politiker schwierig, denn sicherlich stehen diese bei diesem Themen besonders unter dem Druck von Interessenvertretungen und anderem.
    Viele Menschen könnten sich fragen, warum sie wählen gehen sollen, wenn sie das Gefühl haben, an wichtigen Entscheidungen doch nichts ändern zu können. Zudem könnte das bewusste Nichtwählen für viele Menschen einen Protest gegen aktuelle Entscheidungen und Probleme darstellen. Dennoch bin ich mir sicher, dass die meisten Wähler die Vorzüge der Demokratie nicht vergessen haben.

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