Text: Sophie Hübner (Kl. 9/4)
Redakteurin bei InVitrO – Die Schülerzeitung im Schaukasten und im Internet
Fotos: Jonas Menter und Cindy Zwarg (Kl. 9/4)
Gastredakteure bei InVitrO – Die Schülerzeitung im Schaukasten und im Internet
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„Wie erkenne ich rechts oder links, möglichst ohne in eine Demonstration reinzurennen und mich dann zu fragen, wo bin ich denn hier gelandet?“. Mit dieser Frage startete Tom Steinborn-Henke am 14. März 2016 einen Workshop mit dem Thema „Wie ich rechts- und linksradikale Erscheinungen erkenne und ihnen im Alltag mit Zivilcourage begegnen kann?“
Springerstiefel und Bomberjacke? Nein. Das typische nationalsozialistische Aussehen gibt es nicht mehr. Der Stil hat sich über Jahre geändert. Symbole werden nun oft gar nicht mehr oder verdeckt getragen und die Werbesprüche sind immer undurchsichtiger. Nicht selten kommen Jugendliche mit rechtsradikalen Gruppen und deren politischen Interessen in Verbindung.
Wir beschäftigten uns mit Fragen wie: Was ist Zivilcourage? Was sind rechte und linke Botschaften im Alltag? Wie funktionieren Selbstbehauptung, Selbstsicherheit und Selbstverteidigung in der demokratischen Gesellschaft?
„Könnt ihr solche Fragen in eurer Freizeit stellen?“, fragte Thomas Rackwitz. „Nein? Dann fragt jetzt!“ Er warf einen kleinen roten Ball in die Runde und jeder sagte, was ihm bei verschiedensten Begriffen durch den Kopf ging.
Nach der Fragerunde kam wohl für einige der emotionalste Teil des Tages, ein Film mit dem Titel „Angst isst Seele auf“. Angst? Seele? Isst auf? Wohl ein Filmtitel, der Diskussionsbedürfnis hervorruft. Doch aus einer anderen Perspektive als die typischen Hollywoodfilme. Dieser Film wurde aus der Sicht des Opfers gedreht: einem dunkelhäutigen Mann, der von einer Gruppe Neonazis angegriffen wird. Schläge auf die Kamera, leises Wimmern und Verzweiflung brechen durch die Leinwand. Viel mehr als Schweigen konnte man nach dem Film auch nicht wahrnehmen. Jeder war, sicher unterschiedlich stark, mitgenommen.
Im zweiten Teil des Workshops ging es um typische links- und rechtsextremistische Symbole. Ein Kinderspiel diese zuzuordnen, oder? Nicht wirklich. Selbst in Gruppen war es noch schwierig, die vielen kleinen Bildchen auseinander zu halten. Doch wie auch? Die Rechten bedienen sich bei den Linken und umgedreht. Aufs Detail kommt es an, in ganzen Sätzen ist es manchmal nur ein kleines Wort, das links zu rechts verändert.
Nach einer Mittagspause in der Pizzeria Piccolo und anregenden Diskussionen am Tisch ging es zum letzten Teil. Wie funktionieren Selbstbehauptung, Selbstsicherheit und Selbstverteidigung in der demokratischen Gesellschaft? Bloßes draufeinprügeln? Weglaufen? Um Hilfe schreien? Es ging wieder mit einer Fragerunde los, nicht jeder war der gleichen Meinung, deshalb galt Ausprobieren als Devise. „Jetzt stellen sich bitte immer zwei gegenüber“, rief Sven Booch. „Distanz wahren, zeigt dem da drüben, dass er stehen bleiben soll.“ Auch wenn das gespielte Schlagen am Anfang eher in einem riesen Spaß endete, wurde es von Mal zu Mal ernster.
Ein Ende hatte dieser Workshop nicht, die Themen begleiten uns täglich und so sollten wir nicht aufhören, uns damit zu beschäftigen. Einen herzlichen Dank an die Stifung für die Freiheit, die den Workshop ermöglichte, an unsere Gäste Tom Steinborn-Henke, Thomas Rackwitz, Sven Booch und an unseren Religionslehrer Herrn Rall.