Preußen. Geschichte eines Staates

Von Robin Villain
Gastredakteur der Schülerzeitung InVitrO – Die Schülerzeitung im Schaukasten
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Preußen. Jedem aufrichtigen Demokraten fährt bei dem Gedanken an diesen untergegangenen deutschen Staat ein Schauer über den Rücken. Sehen ihn doch viele gegenwärtige Historiker als Zentrum der europäischen Reaktion nach dem Wiener Kongress und Geburtsstätte des nationalstaatlichen Militarismus im späten 19. Jahrhundert.

Hans-Joachim Schoeps präzisiert und korrigiert in seinem Werk „Preußen – Geschichte eines Staates“ diese diffamierende und singuläre Betrachtung unseres kulturellen Erbes. Seine intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Akten des Geheimen Preußischen Staatsarchivs erlaubt dem Leser die sachliche Revision seines bisherigen Urteils.

Dabei behindern stark subjektiv geprägte Passagen die erneute Meinungsbildung keines Falls. Hans-Joachim Schoeps richtet sich dort lediglich gegen die beiden Extreme der weit verbreiteten Darstellung, also die nationale Überhöhung Preußens während der Kaiserzeit und die nachträgliche Verdammung Preußens in der Nachkriegszeit bis zur Gegenwart. Die persönliche Betroffenheit des Autors durch die Tragik der preußischen Geschichte wird häufig klar erkennbar und unterstreicht nur noch Schoeps Leidenschaft für dieses Thema. Vor allem gelingt ihm die fast isolierte Schilderung der Geschichte unabhängig von Deutschland und Europa virtuos.

Die Darstellung beginnt bei der Eroberung des heidnischen Pruzzen-Stammes östlich der Weichsel durch die deutschen Ordensritter. Dieser  Kreuzzug war 1236 abgeschlossen und markiert den Beginn der preußischen Geschichtsschreibung. Erst die Säkularisierung des Gebietes durch den Hochmeister Albrecht beendete 1525 auf Ratschlag Luthers die Herrschaft des Ordens.  Da Albrecht aus einer fränkischen Nebenlinie der Hohenzollern stammte, ging das Herzogtum Preußen mit dem Tod seines letzen Nachfolgers 1618 in den Besitz der brandenburgischen Linie des Hauses über. Seit diesem Zeitpunkt waren die Schicksale Brandenburgs und Preußens bis 1918 untrennbar miteinander verbunden.
Aufgrund keiner direkten geografischen Verbindung, musste das Herrscherhaus als Vermittler zwischen unterschiedlichsten Interessen wirken. Anfangs mit schier unlösbaren Aufgaben konfrontiert, wuchs es an dieser Aufgabe. Die Herrscher aus dem Hause Hohenzollern prägten Preußen wie kaum eine andere Dynastie Europas einen Staat. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die Lebensleistungen des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. und seines genialen Sohnes Friedrich, der nicht unberechtigt schon zu Lebzeiten „der Große“ genannt wurde. Berlin war unter ihnen Sparta und Athen des Nordens.
Im letzten Kapitel erfolgt schließlich die Darstellung der preußischen Nachgeschichte, die maßgeblich durch den Sozialdemokraten Otto Braun geprägt wurde. Das „rote Arbeiterpreußen“ endete mit dem 20. Juli 1932, womit Schoeps hier einen der vielen Irrtümer der Geschichte Preußens revidiert. Nicht die Alliierten auf der Potsdamer Konferenz, sondern Hitler und seine Schergen beendeten die Existenz dieses Staates.
Das Werk „Preußen. Geschichte eines Staates“ vermittelt einen unzensierten Eindruck von preußischer Geschichte. Es eröffnet ein tieferes Verständnis für die Menschen in unserer Heimat und schärft den Blick auf vermeintlich Bekanntes. Eine klare und sachliche Ausdrucksweise des Autors übermittelt den Inhalt ungewöhnlich lebendig und faszinierend. Dieses Werk ist definitiv ein literarischer Leckerbissen und unbedingt weiter zu empfehlen.
Insgesamt werden ca. 800 Jahre Geschichte kompakt auf 300 Seiten präsentiert. Besonders der exzellent zusammengestellte und umfangreiche Anhang ist hier noch zu nennen, da dieses Werk dadurch sowohl Freizeitlektüre als auch wissenschaftliche Arbeitsgrundlage sein kann.

1 thought on “Preußen. Geschichte eines Staates

  1. Bin in Ostpreußen 1941 geboren, Flucht vom 19.1.aus Triaken, am 8.10.1945 in Wilmersdorf/Gutshaus. Seit 1997 beschäftige ich mich etwas mit der ostpreußischen Geschichte, dazu habe ich im Geheimen Staatsarchiv in Berlin/Dahlem viele Dokumente aus dem Königsberger Archiv zur Einsicht.
    Unser schlechter Geschichtsunterricht an der Oberschule 1959/60 ignorierte dieses Thema! Wie viele andere Themen …
    Gruß
    Herbert Pöppel

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