Jobben statt Freizeit

Zehnter Artikel der Reihe InVitrO: Unveröffentlichtes
Von Laura Promehl (damals Kl. 9/2)
Redakteurin der Schülerzeitung InVitrO – Die Schülerzeitung im Schaukasten und im Internet
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Taube, eiskalte Finger, rote Wangen und Zittern. Andere denken bei diesen Schlagwörtern an einen schönen Winterspaziergang. Ich aber denke an die monatliche Tortur des Austragens meiner 192 Zeitungen.

Alle Zeitungen im Wagen

Ein Samstag Morgen sieht bei den meisten Jugendlichen folgendermaßen aus: ungefähr um 10 Aufstehen, fertig machen und dann gibt es schon wieder Essen. Bei mir sieht das anders aus. Aufstehen ist um halb sieben angesagt, anziehen, dann gehts los mit dem Sortieren der Zeitungen.  Das dauert ungefähr zwei Stunden.
Um 9 Uhr stehe ich dann dick angezogen vor dem Breifkasten des ersten Hauses. Werbung, Zeitung, falten, reinstecken, ein sich immer wiederholender Vorgang bei Einfamilienhäusern.  Bei den Alt- bzw. Neubauten sieht dies anders aus. Ich stehe an der Tür und sage den Satz, der mich und die anderen Leute wohl schon so ziemlich nervt: „Hallo, ich bringe die Zeitung. Könnten Sie bitte die Tür aufmachen?“. Es wäre ja schon eine Erleichterung, wenn man nicht manchmal eine gefühlte halbe Stunde vor den Türen stehen müsste, sondern gleich beim ersten Klingeln jemand die Tür öffnen könnte. 
Zeitungen im Briefkasten eines Neubaus

Jedoch arrangiert man sich damit spätestens nach dem ersten Blick auf den Kontoauszug in der Mitte des Monats.
Leider schlafen auch über Weihnachten und Silvester die Geschäfte nicht und sie wollen ihre Werbung an den Mann bringen. Dies geschieht mit Hilfe von uns Zustellern. Wenn man dann mit heruntergezogenen Mundwinkeln in ein Mehrfamilienhaus hineinkommt und zum Weihnachtsfest ein kleines Präsent von den Kindern bekommt, muntert es einen sehr auf, wenn man die Aufschrift  „Für unser Zeitungsmädchen. Wir haben dich lieb.“  liest.
Ich bin sehr gespannt, ob es in den warmen bzw. wärmeren Jahreszeiten mehr Spaß bringt.
Man kann allen, die ihr eigenes Geld schon einmal anfangen wollen zu verdienen, auf jeden Fall dazu raten es, wenigstens auszprobieren.

2 thoughts on “Jobben statt Freizeit

  1. Ich zolle dir Hochachtung und Respekt für diese Arbeit! Wie du schreibst, ist es nicht selbstverständlich für Jugendliche, die Strapazen auf sich zu nehmen, morgens früh aufzustehen und dann unter allen möglichen widrigen Bedingungen die Zeitungen auszutragen. Es ärgert mich jetzt förmlich, dass ich die Arbeit sonst sehr wenig zu schätzen wusste und oft die Werbezeitschriften einfach direkt vom Briefkasten in den Papierkorb befördert habe.

  2. Ein netter Wagen für wenig Zeitung. Ich war mal ’ne Zeitlang, glaub‘ zwei Jahre, selbst Zusteller bei, wie ich sehe, dem gleichen Zeitungsverlag. Bloß hatte ich mehr, so um die 392 (plus extra Werbung am Dienstag ca. 160 Stück).
    Ich hatte im Sommer angefangen. Da ging das noch. Es hat mich nicht so sehr gestört, dass ich die Zeitungen nach 22 Uhr bekam und gleich anfangen musste, da ich entweder ausschlaffen wollte oder zu einem Spiel musste.
    Als die Schule anfing, ging das eine Weile gut. Doch dann fangen die Kräfte an zu schwinden und man hat mehr Stress. Denn es ist nicht einfach, so eine Menge Zeitungen im Keller zu sortieren und damit ungewollt Krach zu machen, so dass die Nachbarn immer runterkommen und einen noch voll meckern.
    Dementsprechend geht man mit mieser Laune nach draußen. Da man aber bei solch einer Menge nicht zehn Mal hin und her laufen will, packt man alles in eine Karre, die man dann mit sich „rumschleppt“.
    Die Bewohner sind leider nicht immer so verständnissvoll. Mal liegt die Zeitung nicht pünktlich zum Frühstück um 6 Uhr morgens vor, mal ist sie nass, weil’s gerade geregnet hat, oder die Zeitungen reichen nicht aus, weil es in manchen Häusern nicht anders geht als sie in eine Tüte zu stecken und dann zu hoffen, dass keiner eine zuviel nimmt.
    Es gibt nur wenige Menschen, die Verständnis dafür haben, was das eigentlich für ein Knochenjob ist. Denn man geht ja raus zum Verteilen, egal bei welchem Wetter oder mit welcher Laune oder Gesundheit.
    Manchmal ist es auch so, dass der Lieferant, der die Zeitung vorbeibringt, erst nach 24 Uhr kommt und dann heißt es warten und hoffen, dass er endlich da ist. Und auch wenn man dafür gar nichts kann, wird man vom Chef angerufen und regelrecht zur Sau gemacht, was dass soll und die Kunden beschweren sich, warum auch immer.
    Außerdem würde man sich als Zusteller über ein gerechteres Gehalt und ordnungsgemäße Briefkästen freuen. Als ich anfing, betrug mein Gehalt bis zu 120 €, meistens so um die 100 €. Klingt viel, doch man bedenke, wie es zustande kam.
    Die größte Einnahmequelle war die einzige Werbung am Dienstag, die meist von der Stadt Angermünde oder einem anderem Vertrieb war. Die brachte im Schnitt bis zu 22 € in der Woche. Der Rest war die Zeitung am Samstag. Nun ja, ich würde da lieber von Werbung sprechen, denn die Zeitung hat gar nichts gebracht. Lediglich bis zu 5 € für die ganze Zeitung und dazu kamen dann bis zu acht Webeblätter, die man einsortieren musste und dass jede Woche. Das Sortieren dauerte bis zu 3 Stunden und das Austragen ebenfalls.
    Ich frage mich bis heute, warum nicht gleich die ganze Zeitung schon sortiert kommt, da spart man doch enorm viel Zeit. Außerdem würde so kein Überschuss enstehen oder manchmal zu knapp werden. Aber wahrscheinlich ist das alles eine Frage des Geldes. Und so sah dann die Zeitung ja auch aus: wie ein Riesensandwich, mehrere Zentimeter dick und gefühlt ein halbes Kilo schwer. Und das noch mal 392. Das alles kostete maximal 17 € insgesamt.
    Ich fand es vor allem unfair, dass die gleiche Werbung am Dienstag bis zu 20 € gekostet hat und am Wochenende lediglich ein paar Euros. Glaub‘, das nennt man wohl Marketing. Mit der Zeit schrumpfte mein Gehalt immer mehr, am Ende kam ich nur noch auf 60 € und man erklärte mir, das sei so auf Grund der schlechten Wirtschaftslage.
    Danach habe ich beschlossen aufzuhören, denn der Druck stieg, die Zeitung wurde immer mehr und das Gehalt immer weniger.
    Ah ja und die Briefkästen, nun sie sehen zwar alle schön aus, doch nützt es wenig, wenn sie extrem zu klein sind oder man gar nicht erst zu ihnen kommt, weil eine Tür davor ist und man sehr oft klingeln muss. Das letzte ist ein seltener Fall. Doch wie gesagt, die Größe und manchmal auch die Form des Briefkasten, die bringt einen manchmal echt um.
    Lustig wird es, wenn der Kasten gerade mal so klein ist oder die Öffnung so schmal ist, dass nur eine dünne Zeitung reinpasst. Das heißt dann, dass einen Wettlauf gegen die Zeit gibt, genauer mit der Post oder anderen Zustellern. Denn wer zuletzt da ist, der muss seine Briefe, die Werbung und die Zeitung schon auf brachialste Art und Weise reinstopfen. Sie quellen dann da schon raus und man denkt, gleich platzt das Ganze. Und dann werden die Dinger auch noch nass. Aus diesen Gründen habe ich so wie viele andere meine Zeitungen mit der Werbung lieber nachts ausgetragen. Meiner Meinung nach sollte die Zeitung nicht Samtsagsmorgenzeitung heißen, sondern Freitagnachmitternachtszeitung.
    Nichts desto trotz würde ich allen faulen Leuten empfehlen, es mal zu probieren. Es hilft dabei, zu wissen, wie schön es doch sein kann, ein besseren Job zu haben, wenn man die Schule beendet. Die Welt da draußen ist ganz und gar nicht gerecht und verdammt hart. Ah ja und für den Zeitungsjob braucht man ein großen Karren, so wie auf dem Foto da oben.

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