Ich glaub´, ich bin im Plenarsaal

Text und Fotos: Ben Schneider (10/3)
Redakteur bei InVitrO – Die Schülerzeitung im Schaukasten und im Internet
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Eine Fahrt wie keine andere. Als ich im Plenarsaal des Landtages in Potsdam saß, wartete ich nur noch darauf, dass die Politiker ihre Stühle nehmen und sie dem anderen an den Kopf werfen. Aber alles von vorne.
Es fing bereits damit an, dass eine Demonstration zur Zusammenlegung zweier Hochschulen in der Lausitz vor dem bald „Ex-Landtagsgebäude“ in Potsdam stattfand. Wir waren bei so einem Schauspiel sozusagen die VIPs, denn wir schafften das, was sie nicht konnten. Wir kamen in den Landtag. Eine Frau unter diesen Demonstranten verteilte dann auch noch Flyer. Viele nahmen ihn. Ich wollte den Flyer nicht und die Frau entgegnete mir nur: „Kannst du nicht lesen, Junge?“  Worauf mir leider nur „Doch!“ einfiel.
 

Demonstranten vor dem Landtag
Demonstranten vor dem Landtag

 
Nach einem Einführungsgespräch mit einem der Verwaltungsarbeiter sollte es nun in den Plenarsaal gehen. Wikipedia definiert den Plenarsaal als „den zentralen Raum eines Parlaments, in dem die ordentlichen Sitzungen der Volksvertretung abgehalten werden“.¹
Wer das nun dachte, wurde bitter enttäuscht. Denn statt aufmerksamen Blicken der Volksvertretung, sah ich nur Desinteresse und fehlende Ernsthaftigkeit.
Alle Regeln, die man in der Schule lernt, scheinen vergessen, sobald man im Plenarsaal sitzt. Wenn selbst der Präsident des Landtages, Gunter Fritsch, Kaugummi kaut, beginne ich mich zu fragen, ob die Abgeordneten überhaupt Respekt voreinander haben. Muss man sich nicht melden, wenn man etwas zu sagen hat? Sollte nicht nur einer reden und nicht zwanzig auf einmal? Sollten Smartphones nicht während einer Sitzung ausgeschaltet bleiben? Warum muss ein Abgeordneter während einer Diskussion über die Asylfrage am Laptop in irgendwelchen Zeitungen stöbern? Fragen über Fragen, auf die ich keine Antwort finde, weil es mir einfach nicht logisch erscheint.
Die Sachlichkeit. Ein weiteres Wort, das für die meisten Abgeordneten fremd scheint. Auf die Frage eines Abgeordneten, warum der Flugplatz Eisenhüttenstadt eine bestimmte Luftraumstufe nicht bekomme, kamen nach einigen Erklärungsversuchen der Regierung unsachliche Kommentare der Opposition wie zum Beispiel : „Bauen Sie doch erst mal einen Flughafen!“ oder „Die lassen deine Frage nicht zu, weil die doch eh nicht wissen, wovon sie reden.“
Respekt scheint heutzutage nicht mehr selbstverständlich zu sein. Warum? Ist es wirklich so schwer, sich zu achten? Und wenn selbst Politiker, die Vertreter unseres Landes, es nicht mehr schaffen, vernünftig während einer Sitzung zu reden, müssen wir dann nicht mit gutem Beispiel voran gehen?
Bilder im Plenarsaal durften nicht gemacht werden. Begründung: Es steht in der Hausordnung.
 
¹ Link zur Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Plenarsaal

11 thoughts on “Ich glaub´, ich bin im Plenarsaal

  1. Ich war wirklich sehr von den Politikern enttäuscht. Wie können die Vertreter des Landes Brandenburg sich nur so, wie im Artikel erwähnt, verhalten? Für mich ist das echt eine schwache Leistung!
    Dennoch kann ich sagen, dass der Tag sehr interessant war. Ich würde gerne wieder dort hin fahren und alles still beobachten. Auch die Fragerunde mit einigen Politikern verschiedener Parteien war sehr spannend und vor allem interessant, da wir Themen ansprachen, mit denen wir fast jeden Tag in Berührung kommen. Trotzdem war die Zeit hierfür eindeutig zu kurz. Mir flogen noch diverse Fragen durch den Kopf.

  2. Ich kannte ja schon vieles aus den Erzählungen, aber wenn man den Artikel liest, muss man sich echt die Frage stellen, wie wird heutzutage noch respektvoll mit einander umgegangen? Fängt es nicht schon im Kleinen an, selbst an der Schule…? Wie wird es gehandhabt… ? Grüßen die Schüler die Lehrer und grüßen diese auch zurück? Grüßen die die jüngeren die älteren Schüler? Ich weiß, dass jetzt einige schmunzeln und meinen, dass es nicht mehr up to date ist. Aber sollte man nicht einmal genauer darüber nachdenken und fördert der respektvolle Umgang miteinander nicht auch das Klima an der Schule?

  3. Wikipedia spricht wie oben zitiert über diesen „zentralen Raum eines Parlaments“. Dieser sehr gut geschriebene Artikel beweist das Gegenteil der „ach so gut“ miteinander umgehenden Abgeordneten. Dann weiß ich ja auch nicht weiter.

  4. Ich finde es erschreckend, was ich gerade gelesen habe. Die Politiker im Landtag haben ja nicht so viel Respekt voreinander. Da denkt man ja, dass sie die ganzen Schulregeln vergessen haben und sich zumindest an diesem Tag wie im Kindergarten benommen haben. Da haben wir ja oft mehr Respekt voreiander. Ich nehme mir die Politiker darin nicht als Vorbild. Und ich frage mich, warum sie d a f ü r Geld kriegen. Ich finde den Artikel gut, weil man da auch sieht, dass man sich auch täuschen kann.

  5. Also erstmal: Dein Artikel ist auf jeden Fall gelungen und deswegen besonders informativ. Danke. Ich weiß, die eigene Meinung wird in öffentlichen Artikeln nicht gerne gesehen, was natürlich aus meiner Sicht heraus vollkommen unnötig und kontrovers erscheint, aber trotz alldem würde ich gerne wissen, wodurch du deine Meinung deutest und auf welche urväterlichen Aspekte du dich beziehen würdest, welche alle in dieses unangebrachte Verhalten der „Politiker“ relevant einwirken?
    Als Unbeteiligter der Institution „Einstein Gymnasium“ erlaube ich mir zu sagen, dass Respekt, wie du ihn schon in deinem Artikel ausreichend deutest, im alltäglichen Leben unserer Konsumgesellschaft konstant vermindert wird und immer weiter, ohne eine Spur eines rettenden und simplen Rückblickes, destruktiv uns ferner des menschlichen Ichs führt.
    Diese Ideologie wurde in meinen Augen in vielen Themenbereichen, so auch Schule, grundlegend vertieft und somit von mir in einen anderen Aufnahme-Status distanziert.
    Wie gesagt, ein gelungener Artikel, welcher gefühlsvoll andere Sichtweisen der Lesenden erfordert.

  6. Ich finde diesen Artikel toll, denn er stellt die Menschen, die eigentlich als Vorbilder betrachtet werden sollen in ein ganz anderes Licht.
    Alles, was ich gelesen habe, stellt mir die Frage, ob da nicht mehr Respekt in der Schule herrscht als im Landtag?!

  7. Ich finde, der Artikel ist zum Nachdenken, weil durch ihn viele Fragen aufkommen. So z.B.: Warum dürfen Politiker alles machen, was wir nicht in der Schule machen dürfen? Und dann: Sollen Politiker Vorbilder für uns sein? Schade, eigentlich.

  8. Ich finde einen Besuch in einem Plenarsaal (Kreistag, Landtag, Bundestag) sehr empfehlenswert für Schülerinnen und Schüler, denn dann haben sie die Möglichkeit, einen Teil der demokratischen Arbeit hautnah zu erleben und nicht nur etwa in zusammengeschnittener Kurzform, vermittelt über die Medien.
    Was die Schülerinnen und Schüler dann erfahren werden, steht sehr konzentriert und treffend im o.g. Artikel.
    Dieses Bild ist wohl nicht falsch und ich bin hier nicht derjenige, der das Verhalten unserer Abgeordneten verteidigen will, ein kleiner Einwand sei jedoch gestattet. Denn Arbeit als Abgeordneter ist mehr als das bloße Herumschreien im Plenarsaal und benötigt daher eine differenziertere Perspektive.
    Im Plenarsaal werden in den seltensten Fällen noch wirkliche Entscheidungen gefällt. In der Regel stehen die Entscheidungen bereits vorher fest. Verabredet wurden sie in einem zähen Gespräch in irgendeinem sachlich geführten Ausschuss. In einem Ausschuss, wo Abgeordnete häufig kollegial zusammenarbeiten, sich begrüßen, die Hand geben, ausreden lassen, Experten befragen, sich anhören.
    Im Plenarsaal wird die Aussprache dann häufig ein wenig mit Showelementen angereichert. Mit billigen Zwischenrufen, Witzen, Ironie und Sarkasmus. Das alles kann bei dem ein oder anderen auch schon mal unter die Gürtellinie gehen.
    Aber wenn man mal ehrlich zu sich ist: Eine träge und langweilige Debatte, die mit Zahlen umher wirft, ausschließlich auf sachliche Argumente setzt und ansonsten nichts zu bieten hat, die will doch keiner sehen. Wann schaue ich mir eine Polit-Talk-Show an? Na, wenn ich merke, dass die Moderatorin oder der Moderator die TeilnehmerInnen manchmal nicht mehr im Griff hat, wenn ernsthafte Emotionen ausgetauscht werden und wenn es dann auch noch mal das ein oder andere sachliche Argument gibt.
    Und sind wir noch ehrlicher zueinander: Im Unterricht Kaugummi zu kauen ist zwar nicht gestattet, aber meine Kaugummipackung war häufig am Ende des Schultages aufgebraucht. Daran war nicht wirklich die Pause schuld.
    Spielen mit dem Handy? Naja, wenn ich denn ehrlich bin, das habe ich im Unterricht gemacht, so wie ein Großteil der Schülerinnen und Schüler das eben macht. Wenn nicht das, dann gelangweilt aus dem Fenster schauen, malen, Musik hören, mit dem Nachbar über unterrichtsferne Themen sprechen. Und ich mache es auch noch heute in der Uni (manchmal), wenn die Vorlesung wieder langweilig ist oder ich müde bin.
    So ist das manchmal.
    Daher:
    Liebe Schülerinnen und Schüler, die ihr hier Kritik äußert: Richtig so! (Vergesst dabei nicht, ab und an auch mal an euch selbst zu denken – ich bin mir sicher, ihr ertappt euch selbst bei nicht normkonformen Verhalten:
    Liebe Lehrerinnen und Lehrer, bitte bereitet so ein einschneidendes Erlebnis für Schülerinnen und Schüler (besser) vor UND auch nach. Wenn sie wissen, dass der Plenarsaal eine Bühne ist und keine ausschließliche Entscheidungsinstanz, dann können sie manche Eindrück besser einordnen.

  9. Hier kann ich Bastian Schulz voll zustimmen. Ich habe auch Erfahrung auf diesem Gebiet und weiß: Bei den wirklich wichtigen Debatten herrscht Disziplin und Ordnung. Bei ellenlang Debatten kann es schon mal dazu kommen, dass die Aufmerksamkeit nachlässt – vor allem, wenn man das Ergebnis im Grunde genommen vorher schon kennt. Es gibt schlimmeres und ist meiner Meinung nach menschlich, solange kein anderer dadurch gestört wird. Wenn es natürlich dann zu wichtigen Abstimmungen kommt, sollte die Aufmerksamkeit wieder voll gegeben sein. Aber lasst euch trotzdem gesagt sein: Ihr habt jetzt das Beispiel einer unwichtigeren Debatte gehabt, hätte Herr Platzeck eine Rede gehalten, hätte wohl niemand seine Zeitung dort angerührt. Vorsicht mit zu scharfer Kritik.

  10. Danke für die überwiegend positiven Anmerkungen! Ich freue mich, dass der Artikel viele anspricht. Doch, lieber Bastian und auch Maxi, ich möchte mich auch zu eurer Kritik äußern. Im Gegensatz zu euch finde ich nicht, dass der Landtag (Bundestag, Bundesrat etc.) ein Ort ist, an dem Politik nur mit ein paar „Showelementen angereichert“ wird. Wenn der Landtag nur noch so wenig Bedeutung besitzt, warum existiert er dann noch? Nur um Schülern ein Bild von Politik zu zeigen, das angeblich nicht mehr stimmt? Und gerade, wenn junge Leute, seien es Schüler oder einfach nur Interessierte, anwesend sind, müssten sich die Abgeordneten erst recht zusammenreißen!
    Glauben diese Leute wirklich, man kann Schüler für seriöse Politik begeistern, wenn man nur aufschreit, telefoniert, twittert…
    Politiker werden für ihre Aufmerksamkeit und ihre Vorbildfunktion bezahlt! Von Steuerzahlern!
    Und liebe Maxi, die Asylfrage ist durchaus ein wichtiges Thema. Und es als unwichtige Debatte abzutun ist falsch. An diesem Tag hat auch unsere Bildungsministerin Frau Münch eine Rede gehalten und dann war es auch nicht still! Außerdem hat jeder Abgeordnete das Recht, dass, wenn er spricht, Ruhe ist, oder nicht?

  11. Lieber Ben,
    Ich habe mich über diesen etwas anderen, aber tollen Bericht über eine Exkursion gefreut! Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es immer schwer ist, Kritik diplomatisch zu formulieren. Aber du hast es super hinbekommen.
    Ich war im letzten Jahr ebenfals im Landtag und ich kann deine Erfahrungen bestätigen! Wir hatten zwar keine Demonstration vor dem Gebäude, aber die Politiker verhieltn sich bei uns ebenso.
    Wir fanden es auch alle sehr befremdlich und ganz und gar nicht vorbildlich. Jede Entscheidung, die in der Politik getroffen wird, ist wichtig. Sonst würde sich doch wohl nicht die Frage nach ihr stellen?! Es ist meiner Meinung nach bei dieser vorgelebten Gesprächskultur kein Wunder, dass diese bei den schülern heutzutage auch immer zweiflhafter wird. Was soll bei solchen Vorbildern denn rauskommen?

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