The british way of life

Text: Skadi Pest (Kl. 10/3)
Fotos: Skadi Pest und Maria Michaelys
Redakteure bei InVitrO – Die Schülerzeitung im Schaukasten und im Internet
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Als ich vor ca. vier Jahren von der Grundschule aufs Einstein-Gymnasium wechselte, freute ich mich unfassbar, als ich von der Londonfahrt in der 10. Klasse erfuhr. Damals erschien mir das Ereignis noch unwirklich und weit weg. Es würden noch so viele Schuljahre vergehen bis zur Abreise. Umso unwirklicher komme ich mir jetzt vor, während ich meinen Koffer für die Reise endgültig schließe, um ihn erst in der britischen Hauptstadt wieder zu öffnen.
 
Tag 1: Es ist der Samstag der Abfahrt – 21:50 Uhr. Der gesamte zehnte Jahrgang des Einstein-Gymnasiums steht zu dieser eher ungewöhnlichen Zeit am Angermünder Bahnhof. Wir warten auf den Bus, der uns an unser Reiseziel bringen soll. Zugegeben, die Mehrheit hat keine große Lust auf die Hinfahrt, die etwa 16 Stunden dauern wird. Trotzdem haben sich alle für ein halbes Vermögen Verpflegung gekauft, um auf der Fahrt wenigstens keinen Hunger leiden zu müssen.
 
Als der Bus um die Ecke biegt, sind wir vorerst erleichtert. Es ist ein moderner, geräumiger Doppelstockbus. Als unser Luxusfahrzeug vor uns hält, bereiten sich alle emotional auf eine verbitterte Schlacht um die besten Plätze vor. So verbittert fällt diese dann allerdings nicht aus. Nachdem Busfahrer Daniel Koffer für Koffer verladen hat, stürzen wir uns nacheinander in den Bus, um Plätze zu reservieren. Dabei bekommt jedoch nicht jeder den Platz. den er sich gewünscht hat. Auch ich bin nicht zufrieden mit der Lage meines Platzes, aber es gibt wenigstens keine Verletzten.
 
Schon nach wenigen Stunden Fahrt wird es sehr ruhig. Fast alle sind müde. Der Bus stellt sich als doch nicht so geräumig und schlecht beheizt heraus. Der Beinraum ist klein und den Menschen hinten ist extrem warm, während die auf den vorderen Plätzen eine Jacke benötigen. Zwischendurch machen wir halbstündige Pausen, auf denen man genervte, halb schlafwandelnde Schüler und Lehrer zur Toilette und wieder zurück wandern sieht. Ich verschlafe fast den gesamten belgischen und holländischen Abschnitt der Strecke und erwache erst in Nordfrankreich wieder aus meinem Halbschlaf.
 
Tag 2: Bis zur Fähre in Calais sind es nur noch wenige Stunden, die wir allerdings pausenlos durchfahren. Als wir Calais erreichen, ist allgemeine Erleichterung zu spüren. Alle wollen den stickigen Bus verlassen, von dessen Decke mittlerweile das Siedewasser tropft, und an die französische Seeluft. So fahren wir wenig später, begleitet von lauter „Santiano“-Musik des Busfahrers, auf die Fähre. Ich verabschiede mich endgültig vom europäischen Festland.
 
Londonfähre
 
Vom Dach der Fähre aus kann man perfekt auf das Meer zwischen Frankreich und unserem Reiseziel England blicken. Leider ist der Wind so kalt, dass die Mehrheit sich lieber unter Deck aufhält. Ich fühle mich ein wenig wie auf einer Grundschulklassenfahrt, während ich zusammen mit meiner Klasse Mario Kart auf dem Nintendo DS spiele. Doch dadurch vergeht die Zeit umso schneller. Wenig später ist auch schon die Küste der südenglischen Hafenstadt Dover zu erkennen. Wir fahren von Deck, während der Busfahrer laut die englische Nationalhymne „God save the Queen“ aufdreht.
 
LondonNintendo
 
Es ist ein seltsames Gefühl, sich, vorerst fahrend, endlich auf britischen Boden zu befinden. Ich blicke aus dem Fenster. Hinter den, von der langen Fahrt schmutzigen, Scheiben befindet sich eine Landschaft, die schon fast klischeehaft schön ist. Ich fühle mich wie in einem alten englischen Film, während der Bus an kleinen Wäldern, Schafsherden, malerischen Dörfern und Grafschaften vorbeifährt. Nach einiger Zeit erreichen wir unseren ersten Zwischenstopp auf der Insel: Canterbury. In dieser historischen südenglischen Stadt sollen viele von uns nun das erste Mal einen Fuß auf britischen Boden setzen.
 
Londoncanterburry
 
Nachdem wir das getan haben, wird uns verkündet, dass wir uns nun längere Zeit in der Stadt aufhalten dürfen. Ziemlich erleichtert, die Busfahrt nun hinter mir zu haben und endlich England erkunden zu können, gehe ich also los. Canterbury ist eine typisch englische Stadt, die vor allem historisch eine Menge zu bieten hat. Beispielsweise gilt sie als Ursprungsort der anglikanischen Kirche. Bekannt ist sie auch für ihre atemberaubende Kathedrale im Stadtzentrum, die über die Dächer der Stadt ragt. Diese sehe ich allerdings nur aus der Ferne, denn ich habe keine wirkliche Lust auf Sightseeing. Stattdessen gehe ich mit einigen Klassenkameraden durch die wunderschöne Altstadt Canterburys.
 
Canterbury
 
Diese könnte wirklich nicht englischer sein. Soweit man sehen kann schmale Gassen mit Pubs, Fachwerkhäusern, Telefonzellen und allerhand kleineren Läden. Das typisch englische Flair wird noch durch eine Menge an Straßenmusikern und englischem Essen ergänzt. Irgendwann kann ich dem Drang nicht mehr wiederstehen und kaufe mir eine Portion Chips, also englische Pommes. Diese schmecken, zu meiner Enttäuschung, ungewürzt und labbrig. Meine erste Erfahrung mit englischem Essen ist somit eher negativ ausgefallen. Nach etwa drei weiteren Stunden in dieser wirklich schönen Stadt treffen sich Schüler und Lehrer wieder gut gelaunt am Bus. Wir treten die letzte Stunde Fahrt in die Hauptstadt an.
 
londonfishandchips
 
Weniger später kommen wir, sogar zwei Stunden vor abgemachter Zeit, am Treffpunkt an. Dieser ist ein Parkplatz im Londoner Stadtteil Welling. Nach einiger Zeit des Wartens kommt dann endlich der Moment der Erlösung: die ersten Wagen unserer Gasteltern kommen auf den, mittlerweile abendroten, Parkplatz gerollt. Aufgeregt schnappen wir uns unser Gepäck und warten, dass unsere Namen aufgerufen werden und wir einer Familie zugeordnet werden. Diese sind hauptsächlich südländischer Herkunft. Auch mein Gastvater hat eine dunkle Hautfarbe. Er lächelt mich und meine zwei „Mitbewohnerinnen“ an und stellt sich als Mr. Bisi vor.
 
Nicht einmal fünf Minuten später stehen wir auch schon vor dem kleinen Reihenhaus der Bisis. Ich bin ziemlich gespannt, was mich im Inneren erwartet, und etwas überrascht, als mich laute Kinderstimmen empfangen. Ich stelle mein Gepäck ab und blicke um die Ecke. Dort befinden sich, neben der freundlich aussehenden Mrs. Bisi, zwei kleine Mädchen, die uns neugierig anstarren. Es sind Zwillinge. Sie werden uns als Tumy und Tamy vorgestellt.
 
Erfreut über die unerwarteten Familienmitglieder beziehen wir unser Zimmer. Es ist nicht groß, aber völlig ausreichend. Die Lehrer haben uns schon vorgewarnt, dass die Haushalte nicht sonderlich luxuriös sein würden. Ich bin allerdings sehr zufrieden mit den Umständen meiner Familie. Es ist zwar vieles ungewohnt, aber das macht es für mich gerade interessant. Nach dem Abendbrot, das ziemlich einfach aus Reis und Gemüse, begleitet von typisch englischem Schwarzem Tee, bestand, fallen wir schließlich erschöpft ins Bett.
 
Tag 3: Der nächste Tag unserer Reise beginnt kurz vor 7:00 Uhr. Nach dem Frühstück, das sehr schlicht aus Cornflakes und Schwarzem Tee besteht, kommen wir etwas verspätet am nahe gelegenen Treffpunkt an. Dort wartet schon der Bus, in dem wir auch heute wieder sehr viel Zeit verbringen werden. Denn uns steht eine Sightseeing-Tour durch das Londoner Stadtzentrum bevor. Dort angekommen fahren wir, unter Kommentar eines Touristenführers, an Big Ben, London Eye, MI6 und Tower Bridge vorbei. Leider kann man sich nichts wirklich genauer ansehen, geschweige denn Fotos machen, da wir selten anhalten und die Scheiben sehr dreckig sind. An zwei typischen Sehenswürdigkeiten machen wir allerdings doch Halt. Unser erster Stopp ist vor dem Buckingham Palace, danach haben wir Zeit, die St. Pauls Cathedral zu besichtigen.
 
Towerbridge
 
Und weil es zu einer richtigen Touristen-Tour durch London dazugehört, halten wir uns am Ende noch einige Stunden im Tower of London auf. Hier ist so ziemlich alles zu sehen, was London an Geschichte zu bieten hat. Ich fahre auf dem Laufband an den Kronjuwelen vorbei und bestaune auch den Rest des schönen alten Gebäudes. Nachdem dann auch die Besichtigung des Towers ihr Ende gefunden hat, setzen wir uns erleichtert in eine Fähre, die uns über die Themse zur Westminster Bridge bringt.
 
Londontower
 
Tower Rabe
Vom Wasser aus ist London fast noch schöner als vom Land. Als die Fähre anlegt, muss jeder noch Fotos von sich vor dem Big Ben machen, bevor wir dann über die Westminster Bridge in Richtung Dungeon und London Eye gehen. Hier haben wir die Wahl zwischen den beiden Attraktionen. Ich entscheide mich allerdings, so wie der Großteil meiner Klasse, für die Alternative, nichts von beidem zu besichtigen und den Abend an der Themse zu verbringen.
 
Das ist im Nachhinein keineswegs eine Fehlentscheidung, denn London gibt seine volle Schönheit erst jetzt preis. Wir gehen am Ufer der Themse entlang und blicken auf die wirklich schöne beleuchtete Skyline. Zwischendurch stärken wir uns mit einer Portion Fisch and Chips, die dieses Mal sogar ganz gut schmeckt. So vergehen die ca. zwei Stunden ziemlich schnell. Doch auch diejenigen, die mit dem London Eye gefahren sind oder eine Führung im Dungeon gehabt haben, fahren an diesem Abend begeistert zurück zu den Gastfamilien.
 
London Skyline
 
Tag 4: Am vierten Tag der Fahrt ist, wie an den vorherigen Tagen auch, nichts vom Londoner Regen zu sehen. Bei strahlendem Sonnenschein besichtigen wir den Hampton Court Palace. Die ehemalige Lieblingsresidenz von Heinrich VIII. liegt etwas außerhalb von London, weshalb wir auch an diesem Tag hauptsächlich im Bus sitzen. Endlich angekommen sehen wir uns unter Führung unseres Guides die riesige Küche und einige andere Säle des ehemaligen britischen Königs an. Danach können wir uns noch selbstständig umschauen oder den Souvenirshop des Palastes besuchen.
 
Londonhamptoncurt
 
Gegen Nachmittag machen wir uns auf den Weg zum 2. Programmpunkt des Tages: dem Greenwich Park. Auch dorthin ist es eine ziemlich lange Fahrt. So kommen wir erst zu Sonnenuntergang an. Doch auch in dämmrigem Licht ist der Park faszinierend schön und vom Berg des Parks aus hat man eine fantastische Aussicht auf den Nullmeridian, dessen Verlauf durch einen Laserstrahl gekennzeichnet wird. Da sich der Park so gut wie im Stadtzentrum befindet, halten wir uns natürlich nicht nur dort auf. Ich zum Beispiel besuche das erste Mal den englischen Supermarkt Tesco. Dessen Lebensmittel unterscheiden sich, zu meiner Enttäuschung, allerdings kaum von den deutschen. Zurück im Park ist es mittlerweile dunkel und der Blick auf die Londoner Skyline ist fast noch besser als am Tag zuvor. Mir wird bewusst, dass dies unsere letzte Nacht in dieser wundervollen Stadt ist.
 
londongreenwich
 
Etwas melancholisch erreichen wir das letzte Mal das Zuhause unserer Gastfamilie. Es folgt eine Reihe von letzten Malen: Wir fallen zum letzten Mal erschöpft in unsere Gästebetten, essen zum letzten Mal englisches Frühstück mit schwarzem Tee und winken Familie Bisi schließlich ein letztes Mal zum Abschied.
 
Unser letzter Tag in der Stadt bricht an. Als erstes fahren wir mal wieder in ein Museum. Dieses ist relativ neu und trägt den Namen „Ripley’s- belive it or not“. Schon die etwas beängstigende Figur, die den Eingang des Gebäudes schmückt, macht jedem klar, dass es sich hierbei um ein sehr seltsames Museum handelt. Innen ist dieses nicht weniger suspekt. Das Museum für verrückte Weltrekorde und Kunstwerke ist interessant und witzig zugleich. Am Ende können wir uns sogar Kim Possible like durch einen Laserparkour kämpfen.
 
Als Nächstes steht das an, was die meisten schon sehnsüchtig erwartet haben. Wir können für mehrere Stunden London auf eigene Faust erkunden. Die größte Hürde, das U-Bahn-System zu durchschauen, ist schnell gemeistert. Zuerst verschlägt es uns auf den Camden Market, der an einen polnischen Bazar erinnert. Nachdem wir dort mit Händlern gefeilscht haben, besuchen wir die Oxfordstreet, wo das Schnäppchenmachen schon etwas schwieriger ist. Unsere letzte freie Stunde an der Stadtluft lassen wir in einem Café mit echtem englischem Tee ausklingen.
 
Londontee
 
Der Letzte Act des Tages ist das Musical „Mama Mia“. Die Abba-Songs wecken, trotz Abschiedsstimmung und Müdigkeit, gute Laune in einem. Danach heißt es ein letztes Mal U-Bahn fahren, bis wir unseren Bus erreichen und total erschöpft in unsere Sitze sinken. Dass die Busfahrt auch dieses Mal nicht erholsam wird, ist den meisten klar. Und so war man dann doch froh, nach 16 Stunden, den wohlbekannten Angermünder Bahnhof zu erreichen.
 

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