Geflüchtete in Angermünde

Text und Fotos: Ben Schneider (Abitur Juni 2015 am Einstein-Gymnasium Angermünde)
Gastredakteur bei InVitrO – Die Schülerzeitung im Schaukasten und im Internet
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Seit dem Beginn des syrischen Bürgerkrieges flüchten vermehrt Menschen in Richtung Europa. Den Flüchtlingslagern im Libanon und Jordanien mangelt es am nötigsten und die EU ist sich weiter uneins, wie mit einer der größten Herausforderungen seit Jahrzehnten umzugehen ist.
Auch Angermünde ist zu einem Zufluchtsort für einige dieser Menschen geworden. Um Unsicherheiten, Ängste und Vorurteile auf beiden Seiten abzubauen, entschlossen sich Herr Rall (Religionslehrer am Einstein-Gymnasium) und Frau Peschke (Religionslehrerin am Gauß-Gymnasium) im Sommer des vorigen Jahres, eine Möglichkeit zu schaffen, dass Einheimische und Geflüchtete ins Gespräch kommen können. Aus der Idee wurde das „Begegnungskaffee und Kuchen“. Seit September treffen sich dort jeweils am letzten Sonntag des Monats ca. 50 Einheimische und 50 Flüchtlinge.
 

Monat für Monat backen engagierte Angermünder
Monat für Monat backen engagierte Angermünder

 
Ich möchte von meinen Erfahrungen berichten. An einem Sonntagnachmittag stehe ich im Flur des Gemeindehauses neben der Marienkirche. Gerade mit dem Zug aus Berlin in Angermünde angekommen, erlebe ich hier schon fast städtisches Treiben. Äußerlich angespannt aber trotzdem mit einer inneren Ruhe bewegen sich die Helfer zwischen den Zimmern hin und her. Ein Kuchen nach dem anderen landet auf der langen Tafel im Flur. In der Küche brodelt es; Kaffee wird in Kannen umgefüllt und auf die Tische verteilt.
Mit ein paar Worten werde ich von Herrn Rall begrüßt, dieser muss derweil schon wieder weiter. Gefühlte tausend Aufgaben auf seiner Liste müssen noch erfüllt werden. Noch sind die Räume leer. Innerhalb von Minuten werden sie gefüllt sein.
 
Angermünder und Geflüchtete im Gespräch
Angermünder und Geflüchtete im Gespräch

 
Alte und neue Angermünder verteilen sich. Am Anfang macht sich bei den meisten noch Unsicherheit breit. Viele der Geflüchteten und der Angermünder trauen sich noch nicht an gemeinsame Tische. Ein paar Worte von Herrn Rall und Frau Peschke genügen.
Die Angermünder ergreifen vermehrt die Initiative, die Geflüchteten nehmen die Angebote gerne an. Nach einer kurzen Rede, die auch von Geflüchteten in die jeweiligen Sprachen übersetzt werden, kann es los gehen.
 
Herr Rall eröffnet das "Begegnungskaffee und Kuchen"
Herr Rall eröffnet das „Begegnungskaffee und Kuchen“

 
Mir wird an den Nachmittagen immer wieder deutlich: Wer sich in der aktuellen Flüchtlingsthematik ein Urteil über Deutschland, die Asylbewerber und deren Menschenbild erlauben will, sollte die persönliche Geschichte Einzelner kennenlernen und verstehen. Man erfährt bewegende Geschichten voll von Trauer, Qual und Leid.
 
Auch bei der Musik entdecken beide Gruppen Gemeinsamkeiten
Auch bei der Musik entdecken beide Gruppen Gemeinsamkeiten

 
Ich selbst war einige Male sprachlos als mir Geflüchtete ihre Geschichte erzählten. Was diese Menschen zurücklassen mussten, wie ihr beschwerlicher Weg nach Deutschland verlief, was für Sorgen sie sich über ihre zurückgelassene Familie und ihr Land machten. Aber bei all der Traurigkeit sind diese Menschen auch voller Hoffnung, Ehrgeiz und vor allem großer Dankbarkeit. Und das trotz des traurigen Rekords von Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte.
Kaffee, Tee und Kuchen geraten in diesem Moment bald zur Nebensächlichkeit. Die Ängste sind oft unbegründet und wir haben mehr mit den Geflüchteten gemeinsam als manche glauben. Die Liebe für Kaffee, Tee und Kuchen ist dabei nur der Anfang. Wer ins Gespräch kommt, wird das schnell merken. Das ist Integration! Mit einer Menge neuer Eindrücke verlasse ich die kleine Stadt Angermünde, die den Großen doch noch ein paar Lektionen erteilen kann.
Übrigens: Das nächste Begegnungskaffee und Kuchen findet am kommenden Sonntag, den 28.02.2016, von 15.00 bis 17.00 Uhr statt.
 
Auch engagierte SchülerInnen des Einstein-Gymnasiums besuchen das "Begegnungskaffe" regelmäßig
Auch engagierte SchülerInnen des Einstein-Gymnasiums besuchen das „Begegnungskaffe“ regelmäßig

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