Den Islam gibt es nicht

Text: Wolfgang Rall (Betreuer der AG InVitrO und Religionslehrer)
Fotos: Marie Svarovsky (Kl. 10/2)
Redakteurin bei InVitrO – Die Schülerzeitung im Schaukasten und im Internet
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Unerwartet viele Besucher füllten am Abend des letzten Donnerstags, 09.03.2017, den Ratssaal des Angermünder Rathauses. Immer wieder mussten zusätzliche Stühle geholt werden. Für die ungefähr 60 Besucher und für die Veranstalter war das eine Bestärkung. Es war gut, zu sehen und zu erleben, wie viele Menschen sehr unterschiedlichen Alters (von 15 bis 80 Jahre) sich in Angermünde und Umgebung für das Thema interessieren: „Angst ums Abendland. Warum wir uns nicht vor Muslimen, sondern vor den Islamfeinden fürchten sollten.“
 

 
Der studierte Islamwissenschaftler und Journalist Daniel Bax las für eine halbe Stunde Auszüge aus seinem gleichnamigen Buch. Danach beantwortete er für eineinhalb Stunde Fragen. Daniel Bax analysierte an diesem Abend nicht nur die Entwicklung des islamfeindlichen Rassismus in Deutschland. Er vermittelte auch solide Analysen der Situation in anderen europäischen Ländern wie zum Beispiel Frankreich, Niederlande, Schweiz, Österreich, Dänemark, Ungarn, Polen und jenseits des Atlantiks den USA. Für die Besucher war dieser Blick über die Grenzen oft horizonterweiternd.
 

 
In verschiedensten Bereichen wurde deutlich, dass und wie die heutigen Rechtspopulisten die Islamfeindlichkeit als Ideologie gezielt verstärken und für ihre ganz eigenen Zwecke instrumentalisieren. Was kann man dagegen tun? Diese Frage beschäftigte viele Besucher. Was kann man dem Gedankengut der rechtspopulistischen Führer wie Frauke Petry, Björn Höcke, Marie Le Pen, Geert Wilders und ihren Anhängern entgegensetzen?
Daniel Bax plädierte ganz im Sinne der Aufklärung für Bildung: Empirisch begründete Fakten und Zusammenhänge statt ideologisierender Verallgemeinerungen. Solides Wissen statt Mythen und Fake News. Genau darum geht es in seinem Buch. Das Publikum ergänzte als Mittel gegen islamfeindlichen Rassismus vielfältige Begegnungen mit Muslimen. Sie verändern das Denken auf Grund ganz eigener Erfahrungen.
 

 
Durch entsprechende Bildung und durch vielfältige Begegnungen wird schnell deutlich, dass es „den Islam“ gar nicht gibt. Wie zu jeder andere Religion und Kultur gehören dazu viele unterschiedliche Richtungen. Beim Islam sind es zum Beispiel die Sunniten, Schiiten, Aleviten und Sufis. Und sie unterteilen sich wiederum. Doch im medialen Erscheinungsbild und erst recht im Rechtspopulismus entsteht oft der Eindruck, Islamismus und Islam seien identisch. Die Tatsachen widersprechen dem. 99 % der in Deutschland lebenden 4 Millionen Muslime haben mit dem fundamentalistischen Islamismus nichts zu tun. Trotzdem werden die Anhänger des Islam oft pauschalisierend Islamisten genannt.
 

 
Ebenso geht es an der Wirklichkeit vorbei, im Kopftuch immer ein Symbol der Unterdrückung zu sehen. Die Gründe zum Kopftuchtragen sind sehr unterschiedlich. Es gibt in Europa junge Muslima, die das Kopftuch selbstbewusst als ein Symbol der Emanzipation tragen. Daniel Bax wendete sich entschieden gegen Alice Schwarzer, die meint, das Kopftuch stigmatisiere muslimische Frauen ähnlich wie im Dritten Reich der Judenstern. Daniel Bax erläuterte den Gästen an verschiedenen Stellen seine Kritik an fragwürdigen Thesen einiger sogenannter Islamkritiker wie zum Beispiel Heinz Buschkowsky und Thilo Sarrazin.
 

 
Nach dem Abend mit der Dozentin Natasha A. Kelly über den Umgang mit Alltagsrassismus im Februar war dies die zweite Abendveranstaltung in Zusammenarbeit zwischen der Heinrich Böll Stiftung und dem Angermünder Bürgerbündnis für eine gewaltfreie, tolerante und weltoffene Stadt. Es bleibt zu hoffen, dass es weitere geben wird.

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