Es war Freitagabend, der 25. März 2022, um 19 Uhr.
Das Preußische Kammerorchester spielte den 1. Satz aus Antonín Dvořáks Serenade für Streicher, als Artem Zolotarov seinen Text „Adoptivsprache“ präsentierte. Wort und Ton bildeten eine Einheit – nicht nur hörbar, auch durch Gesten und Blicke des Sprechers unterstützt. Sprache und Musik wirkten so harmonisch zusammen, dass dem Publikum in der Aula des Angermünder Einstein-Gymnasiums die Aktualität dieser Worte nicht entgehen konnte.
„Angst ist menschlich und verständlich.
Doch wir sind viel mehr als Angst.
Was uns heute helfen kann?
Menschlichkeit und Mut zu wachsen.“
Der junge Autor dieser Zeilen ist Ukrainer, verließ aber schon vor etlichen Jahren sein Land, um sich ganz bewusst und gezielt der deutschen Sprache zu widmen. Sensibel erfasste er die Hürden, die ein Migrant zu nehmen hatte, und die ergreifende, so stimmige Musik tat ihr Übriges: Die Kombination erzeugte Gänsehaut bei den Zuhörern.
So wie sich die Musikstücke eines Dvořáks von denen Mozarts und Bachs unterscheiden, so vielfältig waren auch die Themen und Stile, derer man sich bediente. So vollzog Selina Seemann zuerst Gedankenexperimente im Universum und suchte im zweiten sehr ironischen Text nach der Liebe, was ihr viele Lacher des Publikums, aber nicht die Antwort auf die Frage einbrachte.
Jesko Habert leitete schon zwei Workshops „Poetry Slam“ in den 12. Klassen und schaffte es, uns zu überzeugen, dass wir unsere Sprache durch eigene Metaphern stark bereichern können, was in diesen so sehr verkopften Wochen vor den Reifeprüfungen gar nicht so einfach ist. Weiterhin wurde uns bewusst, dass ein gelungener Vortrag viel an Emotionalität und Körpereinsatz einbringen sollte. So scheuten sich die Schüler nicht, Backrezepte mitleidsvoll, wutentbrannt, geschockt und jubelnd und gleich wieder todtraurig zu rezitieren. Wir hatten unseren Spaß.
Noch am Vormittag „unterrichtend“, brachte Jesko Habert abends zwei seiner Texte zu Gehör. Er bewies wahre Wortkunst, als er sich hinter seinem Kleiderschrank im Labyrinth wähnte, das ihn zu Kafka nach Prag bringen könne. Die fast surrealistische Schreibweise nahm unsere ganze Phantasie in Anspruch, um den Irrwegen des Poeten zu folgen. Sein letzter Text – im wahrsten Sinne des Wortes von klassischer Musik der „Streicher unterstrichen“ – verriet die Hingabe des Dichters zu Vergänglichem, indem er eine aufrichtige Hymne auf Ruinen anstimmte – nachdenkenswert in einer Zeit, wo Vergängliches so wenig Beachtung findet. Die Musiker vervollkommneten den Eindruck, indem sie perfekt dazu abgestimmt Bachs populäres Werk „Air“ intonierten. Das ging unter die Haut…
Der Abend hinterließ einen bleibenden Eindruck, für den allen mitwirkenden Musikern unter dem Dirigat von Jürgen Bruns herzlich zu danken ist. Weiterer Dank gilt den vortragenden Slam Poeten und nicht zuletzt Samson, der als Moderator und Mitglied der „Kiezpoeten“ gekonnt locker und witzig durch die Veranstaltung führte.
Der Applaus der Besucher bewies, dass Sprache mit Musik vereint ein Hochgenuss besonderer Art sein kann. Möge sich dieses Hörerlebnis herumsprechen, so dass beim nächsten Mal ein noch breiteres Publikum der Einladung „Slam Meets Music“ folgt.
Ines Eichhorn