Text: Anna Lena Kalow (Kl. 8/2)
Gastredakteurin bei InVitrO – Die Schülerzeitung im Schaukasten und im Internet
Fotos mit freundlicher Genehmigung der ubs (http://www.theater-schwedt.de/idx/gid/1165/)
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Wir sind alle Engel mit nur einem Flügel.
Um fliegen zu können, müssen wir einander umarmen.
Luciano de Crescenzo
Am Mittwoch, dem 08.02.2017, fuhren wir, der Jahrgang der Klassenstufe 8 des Einstein-Gymnasiums Angermünde, in die Uckermärkischen Bühnen Schwedt. Dort erwartete uns ein bewegendes Stück, erzählt von einem Schauspieler, einer Puppe, einer Kiste und mehreren kleinen Requisiten, basierend auf einer wahren Begebenheit. Geschrieben wurde das Schauspiel von Franz Josef Fendt und Ralf Kiekhöfer, welches den zum Nachdenken anregenden Titel „Engel mit nur einem Flügel“ trägt.
Am frühen Morgen trafen wir Schüler und Lehrer uns in einem etwas größeren Raum. Daraufhin wurden uns netterweise vom Personal Jacken und Taschen abgenommen. Kurz vor dem Beginn konnte man ein leises Getuschel in der Menge wahrnehmen, was den kleinen Theatersaal in eine geheimnisvolle Stimmung versetzte. Als die Lichter jedoch ausgingen und nur noch die Scheinwerfer die Bühne erleuchteten, legte das Geflüster sich schnell und eine Stille überkam den Saal. Die Scheinwerfer auf eine Puppe namens Robert Goldstein, die Hauptrolle des Stückes, und den Erzähler und Schauspieler Fabian Ranglack gerichtet, konnte das Stück beginnen.
Es ist das Schicksal eines hilflosen Jungen, es ist die Geschichte eines Judens in der Nazizeit, es ist das grausame Leben von „Robert Goldstein“. Ein Mann, der seine schönen und sowohl auch schrecklichen Erlebnisse in einer Reise durch die Vergangenheit widerspiegelt.
Wir schreiben das Jahr 1942. Hitler regiert Deutschland. Nazis sind an der Macht. Bei einem unerwarteten Bombenangriff muss der kleine Junge in einen Schutzbunker fliehen. Bei dem Ertönen der Sirenen durchfährt vielen von uns eine Gänsehaut. Ein Moment des Schreckens.
Robert Goldstein trägt einen Davidstern an seiner Brust. Nach und nach werden ihm und seiner Familie alle Rechte genommen. Zuerst darf der kleine Junge seine beste Freundin Anna nicht mehr sehen und auch sein jüdischer bester Freund ist von heut auf morgen wie vom Erdboden verschluckt. Schließlich werden er, Schwester, Mutter und Vater von den Nazis gezwungen, ihre schöne große Wohnung zu verlassen und in einen engen Keller ohne Wasser und Strom zu ziehen.
Eines Vormittags machen sich Roberts Mutter und Schwester auf den Weg in die Stadt, um etwas Brot zu kaufen, was den Juden zu dieser Zeit aber nicht gestattet ist. In völliger Angst um das Leben der beiden wird plötzlich an ihre Tür geschlagen und Vater und Sohn werden in einen engen Wagon eines Zuges mit wenig Wasser und Brot verfrachtet.
Roberts Vater weiß genau, dass dies die Fahrt in den Tod ist, eine Fahrt in ein Konzentrationslager, eine Fahrt in die Vergasung, eine Fahrt in den Mord. Aber dies kann er seinem kleinen Sohn unmöglich erzählen. Doch der kleine Robert gibt die Hoffnung nicht auf und glaubt, in der fremden Stadt seine Mutter und Schwester wiederzufinden. Bei einem Zwischenstopp in Frankreich wird der kleine Robert aber wie durch ein Wunder gerettet, wobei er jedoch seinen Vater aus den Augen verliert. Und so lebt er vorerst versteckt bei seinem „Schutzengel“ Pierre und seiner Frau auf einem kleinen Bauernhof in Frankreich.
Als der Krieg 1945 sein Ende nimmt, findet Robert Arbeit als Kellner und trifft dabei einen Mann wieder, der mehr über das Schicksal seiner Familie zu wissen scheint… Ob das Stück in einer Tragödie endet oder auch nicht, seht ihr in der Vorstellung „Engel mit nur einem Flügel“.
Nach dem Schauspiel warfen sich noch einige Fragen wie zum Beispiel „Warum gerade dieser Titel?“ und „In welchem Teil Frankreichs spielt das Ganze sich ab?“ auf, aber auch dies war schnell in einer Klassendiskussion geklärt.
Dieses Stück trägt viele unerwartete Wendungen mit sich und regt zum Nachdenken an. Es gewährt uns Einblicke in das Leben eines Judens in der Zeit des Nationalsozialismus und lehrt uns, nicht einfach wegzuschauen und zu vergessen, sondern das Hinsehen und der Welt klarzumachen, dass ein Massenmord in solchen Ausmaßen nicht noch einmal vorkommen darf. Nicht umsonst wurde „Engel mit nur einem Flügel“ 2003 mit dem NRW-Theaterpreis und 2005 mit dem goldenen Pinguin ausgezeichnet.