Von Anne Sperling (Kl. 8/2)
Redakteurin bei InVitrO – Die Schülerzeitung im Schaukasten und im Internet
Fotos: Sophie Stegemann (Kl. 8/2) und Wolfgang Rall
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Da standen wir nun. Nach einer Stunde Busfahrt erhob sich das Eingangstor (Tor A) schon fast drohend vor uns. Aus dem Unterricht kannten wir dieses Tor, den Spruch der darauf prangt, seine Geschichte. Aber das Tor vor sich zu sehen ist unheimlich und erschreckend. Die Uhr ist schon vor Jahren stehen geblieben und auch für das Tor selbst scheint es keine Zeit zu geben.
Im Torbogen war es ruhig. Jeder fotografierte oder sah sich nur das Motto des Konzentrationslagers an, das im Tor zu lesen ist: „ Arbeit macht frei“. Diese Arbeit? In diesem KZ? Nein, die brachte nur den grausamen Tod, sie lies Freunde sterben und zeigte einem seine physischen und psychischen Grenzen. Mit Freiheit hat das nichts zu tun.
Es ist ein mulmiges Gefühl, wenn man sich vorstellt, wie viele Menschen durch dieses Tor gegangen sind. Wie viele Menschen hinter diesem Tor ihre Zukunft erblickten: gewalttätige SS-Leute, überbelegte Baracken, Galgen, der Schornstein des Krematoriums. Es ist schon fast widerlich zu sehen, wie dieses ehemalige KZ, dieser Ort des Grauens und Schreckens, vor Jahren mit Bäumen verziert und mit Gras besät wurde.
Nur noch wenige Baracken sind erhalten. Die Wohnverhältnisse darin waren unvorstellbar. Es konnte sein, dass sich pro Etage fünf Menschen zwei aneinander geschobene Betten teilten. Die Betten waren nur jeweils 70 cm breit und mit nichts anderem ausgestattet als mit einem strohgefüllten Sack als Unterlage und, wenn man Glück hatte, mit einer alten Pferdedecke zum zudecken.
In der kurzen Zeit zwischen dem Wecken und dem Morgenappell mussten sich 150 Männer und oft noch viel mehr, bis zu 300 oder sogar 400, einen einzigen Toilettenraum mit sechs Sitzklosetts und 6 Urinalen teilen! Und es gab auch nur einen kleinen Waschraum. Diese Zustände waren und sind unfassbar.
Aber noch unfassbarer ist die Tatsache, dass Neonazis im September 1992 eine dieser Baracken anzündeten. Die Baracke ist aber zum Glück nicht vollständig abgebrannt. Man hat ihre verkohlten Wände erhalten als Beweis dafür, dass es immer noch Randgruppen gibt, die die Geschichte solcher Orte leugnen.
Schon nach zehn Minuten war ich froh, die Baracke verlassen zu dürfen. Schon nach zehn Minuten hatte ich das Gefühl, gleich zerdrückt zu werden. Und das, obwohl die Besucherzahl in der Baracke noch lange nicht auf 300 gestiegen war. Mit diesem Gefühl mussten Männer, Frauen und Kinder in Konzentrationslagern Monate oder auch Jahre aushalten.
Es war gut zu sehen, wie auch andere sich für dieses dunkelste Kapitel Deutschlands interessieren. Gedenkarmbänder, Blumen, Trauersteine und Grabkerzen begleiteten unseren Aufenthalt im ehemaligen KZ Sachsenhausen.
Auch wir symbolisierten unsere persönliche Trauer mit Blumen. Aber ich fand keinen richtigen Ort für meine Blume. JEDER Ort dieses riesigen Geländes wurde genutzt, um Menschen zu foltern, zu demütigen und einen grausamen Tod sterben zu lassen.
Gegen Ende unserer Führung geschah etwas Unfassbares! Drei Jugendliche in unserem Alter liefen über eine Wiese, in welche die Asche hunderter Menschen vergraben worden war. Jedem aus unserer Gruppe war das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Wie kann man an diesem Ort so etwas tun? Wussten sie es nicht, weil der Bereich nicht ausreichend beschriftet worden war? Aber es muss doch jedem klar sein, dass man in einem KZ, an einem Ort, wo viele Tausende Menschen qualvoll starben, auf den Wegen zu gehen hat! Auch wenn dies bedeutete, ein Stück weiter zu laufen.
Schließlich gingen wir in die Ruine der sogenannten „Station Z“. Zu ihr gehörten auch die Gaskammer, die Genickschussanlage und das Krematorium. Hier war es völlig ruhig. Kein Vogelgezwitscher war zu hören und kein Schüler quatschte. An einem Ort, wo noch vor Jahren Menschen ermordet und ihre Leichen verbrannt wurden, verschlägt es einem die Sprache.
Dieser Ort ist sehr beklemmend. Der Anblick der ehemaligen Gaskammer rief Sätze von Erzählungen in Erinnerung: „Sie dachten, sie gehen sich waschen, zogen sich aus und wurden wie Vieh in eine ‚Dusche’ gepfercht.“ Die Gesichter der Besucher, unsere Gesichter, wurden blass.
Als wir wieder zum Ausgang gingen, fühlte ich mich wie erschlagen. Nicht von den weiten Strecken, die wir gelaufen waren, sondern von den Eindrücken. Wir gingen über einen riesigen Friedhof. Vielleicht wurde hier nur ein Bruchteil der Leichen begraben, vielleicht nur ein Bruchteil ihrer Asche. Was hier starb, war auch der Glaube an die Menschlichkeit.
Und jetzt stelle man sich vor, dass dies UNSER Volk zu verantworten hat und dass es vor gar nicht langer Zeit geschehen ist. Ich legte meine Blume vor das Tor, als wir wieder das Lager verließen.
Ich finde den Text super. Die Bilder und die Aussagen haben mich beeindruckt. Es ist zwar schwer vorstellbar, wie die Menschen im KZ lebten, aber man bekommt einen kleinen Einblick. Ich hoffe, dass diese Zeiten nie wieder kommen.
Als ich diesen Text las, hatte ich das Gefühl, nicht mehr klar denken zu können. Du hast es so lebhaft dargestellt, dass ich richtig mitfühlen konnte. Wenn mir schon der Text allein die Sprache verschlägt, wie soll es dann bei einem richtigen Besuch in der Gedenkstätte Sachsenhausen sein sein.
Unser Wandertag führte uns nach Ravensbrück ins ehemalige Frauenkonzentrationslager. Auch mir wurde beim Betreten des Geländes schnell ganz anders zumute. Ich hatte ein richtig mulmiges Gefühl im Bauch. Leider war unsere Führung nicht all zu berauschend. Auch deshalb waren bei mir die Gefühle nicht so stark ausgeprägt wie bei Dir. Das mulmige Gefühl würde sich meiner Meinung nach nie legen, auch wenn man mehrere Male diese Gedenkstätte besuchen würde.
Einige von uns fanden es schade, dass wir nicht nach Sachsenhausen fahren konnten. Obwohl Ravensbrück für etwas emotionalere Leute eventuell besser war, wenn ich deine Schilderungen jetzt lese. Die Auswahl des Bildmaterials und das Material an sich finde ich sehr schön. Wenn man ein solches Bild überhaupt als „schön“ bezeichnen kann. Mir persönlich fällt es sehr schwer bei solchen Ereignissen die richtigen Worte zu finden. Du hast das auf jeden Fall gut gemacht und ich würde mich freuen, wenn du noch viel mehr publizieren könntest.
Ich bin beeindruckt von deinem Artikel und von der Wiedergabe deiner Gefühle und Gedanken.
Ende der 9. Klasse besuchten wir das ehemalige KZ Ravensbrück (Artikel hierzu:http://www.einsteingym.de/?p=3238). Ich hatte gehofft, ähnliche Erfahrungen zu machen wie du sie hier schilderst. Anders als bei Dir und Laura blieb dies aus. Das ehemalige KZ vermittelte kein bedrückendes oder beklemmendes Gefühl, sondern schon fast ein Gefühl von Weite und Freiheit. Dies lag nicht nur an der Eintönigkeit unserer Führung. Die Bracken waren frisch saniert und man bekam nicht ansatzweise ein Gefühl von Angst und Mitgefühl. Ich finde es toll, dass es auch andere Führungen zu geben scheint. So wie du es hier beschreibst sollte meiner Meinung nach ein Besuch im KZ in Errinerung bleiben.
Zuletzt noch ein riesen Lob an dein Layout, du hast die Bilder perfekt eingesetzt!!
Super Anne (:
Ich weiß, wie viel Arbeit du vorher mit dem Artikel hattest. Immer musstest du irgendwo hin, aber es hat sich echt gelohnt. Der Artikel ist richtig richtig gut!
Vor allem die kleinen „Selbstgespräche“, die in dem Artikel enthalten waren, gefallen mir sehr, da dadurch deine Gefühle und Gedanken deutlicher werden.
Schon beängstigend solche Fotos zu sehen … Schlimmer war es aber diese Räume 3D zu sehen, so vor einem! Diese Gefühle und die Vergangenheit zu spüren. Unvorstellbar ist es, wie sich die Opfer von Sachsenhausen gefühlt haben müssen. Ich fand die Überbleibsel vom KZ schon erschreckend und die Storys traurig und grauenhaft. Für die Opfer muss es ja noch schlimmer gewesen sein!
Auch sehr traurig ist, dass zu viele zu wenig Respekt haben! Viele in knappen Hosen und bauchfreien Tops, ich glaub einen Tag hält man auch mit längeren Klamotten aus, oder? Und wenn an einen Denkmal steht :,,Bitte nicht betreten“, dann sollte man es auch nicht tun! Am meisten geschockt haben mich aber die beleidigenden Ausdrücke. 🙁 Der Artikel sollte nicht nur heißen ,,Schämen für unsere Vorfahren“ sondern ,,Schämen für die Menschheit“. Man sollte alle Besucher aufklären! Wie Herr Rall es im Religionsunterricht bei uns tat. Also Danke dafür.
Wow!!… Anne, ich kenne dich noch gar nicht und ich bedauere es sehr… Wie kann ein so junges Mädchen so einen Text schreiben?!?… Ich bin einfach sprachlos und total beeindruckt! Du hast wirklich jedes Wort perfekt angewendet, um diesen schrecklichen Ort zu beschreiben… Noch viel stärker finde ich deine Art und Weise, deine Gefühle auszudrücken: alles so passend und direkt vom Herzen heraus!
Vor Jahren habe ich auch das KZ Sachsenhausen gesehen und neulich war ich in Ravensbrück mit meiner Klasse. Jedes Mal habe ich mich total betroffen gefühlt und ich habe gespürt, dass man das Leben anders betrachtet, wenn man so etwas gesehen hat. Wie kann man dann unbeschwert weiter leben??
Danke dafür, dass du über das Schreckliste des Menschen so sensibel geschrieben hast! Ich frage mich, wie viele „Erwachsene“ diese Leistung so schaffen würden…
Liebe Grüße
Frau Zanardi
Ich möchte mich der Meinung von Markus anschließen. Ich finde auch, dass der Text extrem gut geschrieben ist. Er hilft uns, eine kleine Vorstellung zu bekommen, welche schlimmen Sachen es damals gab. Ich war noch nie in irgendeineinem ehemaligen KZ. Aber ich möchte gern mal dorthin fahren, auch um diese schlimmen Bilder mal mit eigenen Augen zu sehen.
Ich bin derselben Meinungt wie Rico und Markus … Ich finde, wir müssen wissen,
was damals alles geschah. Auch ich möchte mal ein ehemaliges KZ sehen, obwohl es wirklich gruselig ist. Wenn man mal darüber nachdenkt …