Ein Schulbeginn mit Kondolenz

Von Wolfgang Rall
Religionslehrer, Leiter der AG „InVitrO – Die Schülerzeitung im Schaukasten und im Internet“
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Schülerinnen der Klasse 9/2 während des Kondolierens

Am Montag, dem 15.08.2011, begann in Brandenburgs Schulen das neue Schuljahr. Am Einstein-Gymnasium in Angermünde gehörten an diesem Tag wie gewohnt die ersten zwei Unterrichtsstunden den Klassenlehrern und Tutoren. Und doch war in diesem Jahr etwas ganz anders. Ein grauenhaftes Verbrechen warf seinen langen Schatten auf den Schulbeginn.
Dieses Verbrechen fand am 22. Juli 2011, einem Freitag mitten in den Sommerferien, in Norwegen statt. Der 32-jährige Rechtsextremist Anders Behring Breivik verübte im Osloer Regierungsviertel einen Bombenanschlag, bei dem acht Menschen starben. Danach erschoss er kaltblütig 69 Teilnehmer eines Jugendlagers der regierenden Arbeiterpartei auf der Insel Utöya .
Die Insel Utöya ist nur wenige Kilometer von der norwegischen Partnerschule des Einstein-Gymnasiums entfernt. Diese Schulpartnerschaft mit dem Gymnasium Ringerike in Hønefoss besteht seit 1991. Seit 1992 waren jedes Jahr für eine Woche Einstein-Gymnasiasten in Hønefoss zu Gast und norwegische Schüler am Einstein-Gymnasium. Daraus entstanden viele unvergessliche Erlebnisse.
Kerstin Hahn, Deutsch- und Kunstlehrerin, ist seit Anfang an dabei und koordiniert diese Schulpartnerschaft. Am 22. Juli, bevor das Verbrechen in den Medien war, erhielt sie bereits eine SMS von einer eng befreundeten Lehrerin der norwegischen Partnerschule. Sie berichtete ihr von Schüssen, die sie gerade hörte. Später stellte sich heraus, es waren Schüsse des Rechtsextremisten auf der Insel Utöya.
Das Lehrerkollegium des Einstein-Gymnasiums war sich einig, dass trotz aller Hilflosigkeit und Ohnmacht, die das grausame Verbrechen erzeugt, und trotz des zeitlichen Abstands eine Reaktion zum Schulbeginn an unserer Schule gut wäre. Deshalb gab es für alle Schüler und Lehrer gleich am ersten Tag des neuen Schuljahres in den beiden Klassenleiter- und Tutorstunden die Möglichkeit, ihrer Trauer und ihrem Mitgefühl durch ihre persönliche Unterschrift Ausdruck zu verleihen. Die einzelnen Seiten mit den Unterschriften aus den verschiedenen Klassenräumen wurden gleich am Montagnachmittag zu einem Kondolenzbuch zusammengefügt und nach Norwegen geschickt.
Während der persönlichen Unterschriften herrschte in vielen Klassen und Tutorien Stille. Es war eine Stille, die Raum gab für ganz persönliche Gedanken und Gefühle. Bei einigen Siebentklässlern waren es nach eigenen späteren Angaben Gefühle wie Ratlosigkeit, Entsetzen und Trauer. Und ihre Gedanken wurden von Fragen beherrscht. Es waren Fragen wie zum Beispiel „Wie geht es wohl den Eltern und Geschwistern der Toten?“, „Was dachten und fühlten die Jugendlichen auf der Insel während des Verbrechens?“, „Wie kann jemand auf so eine Idee kommen?“, „Wie kann jemand zu so einem gewissenlosen Verbrechen in der Lage sein?“, „Welche Strafe ist für den Täter angemessen?“. Es sind Fragen, die uns noch lange beschäftigen werden.

5 thoughts on “Ein Schulbeginn mit Kondolenz

  1. Es ist sehr schrecklich, dass das passiert ist. Der Schmerz der Verwandten der Opfer ist bestimmt nicht leicht zu verkraften. Ich finde es sehr gut, dass wir mit diesem Kondolenz-Brief der Opfer gedenken und ihnen unser herzlichstes Beileid wünschen.

  2. Eine gelungene Aktion, die den norwegischen Angehörigen hoffentlich zeigen wird, dass sie in der Trauer um die Opfer nicht allein sind.
    Mir gefällt auch insgesamt, wie in Norwegen mit einem Verbrechen solchen Ausmaßes umgegangen wird. Während in anderen Ländern Gesetze und Überwachung verschärft würden, begegnet man der Tragödie in Norwegen scheinbar ganz im Sinne der skandinavischen Gelassenheit mit Standhaftigkeit und gegenseitiger Unterstützung. Davon könnte so manch anderer Politiker noch etwas lernen!

  3. Auch ich finde diesen Kondolenzbrief für unsere norwegische Partnerschule eine sehr tolle Geste. Diese solidarische Bekundung ist sehr wichtig und zeigt unseren Freunden aus Hønefoss, dass sie in dieser schweren Zeit nicht allein sind. Ich würde mich sehr freuen, wenn der Kondolenzeintrag der Schule auf der Schulhomepage veröffentlicht wird.

  4. Hallo Konstantin! Deinen Wunsch erfülle ich gern. Das Kondolenzschreiben an unsere Partnerschule in Norwegen hatte folgenden Wortlaut:
    „Die Nachrichten über das furchtbare Verbrechen auf der Insel Utöya und in Oslo am 22. Juli entsetzten uns zutiefst. Auch heute, am 1. Schultag unseres neuen Schuljahres, sind wir in Gedanken bei Euch. Wir möchten Euch auf diesem Weg unser tiefes Mitgefühl und unsere aufrichtige Anteilnahme übermitteln.
    In tiefer Trauer
    Lehrerinnen und Lehrer,
    Schülerinnen und Schüler
    des Einstein-Gymnasiums Angermünde“

  5. Die Bluttat in Norwegen war schrecklich, es ging tagelang durch die Medien und fast jeder hat es verfolgt.
    Was ich nicht wusste, war, dass wir eine Partnerschule ganz in der Nähe der Insel haben. Das Einschreiben in dieses Kondolenzbuch zu Beginn des ersten Schultages nach den Sommerferien war für mich als wenn ich meinen Namen nur auf irgendein Stück Papier schrieb. Und ich wusste anfangs gar nicht, was ein Kondolenzbrief ist.
    Nachdem ich Herrn Rall eine Woche später im Religionsunterricht gefragt hatte, was es ist, wurde mir eigentlich erst richtig bewusst, was ich dort unterschrieben hatte. Wir haben zum Schulbeginn zwar viel über die Bluttat gesprochen, aber was das Blatt mit den Unterschriften sollte, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
    Ich finde es im Nachhinein eine gute Idee, ein Kondolenzbuch anzufertigen, da man dadurch sein Mitgefühl prima ausdrücken kann, wenn man es dann hat.

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