Handgreifliche Geschichte

Text und Fotos: Wolfgang Rall
Betreuer der Schülerzeitung InVitrO – Die Schülerzeitung im Schaukasten und im Internet
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„Das hätten wir nicht gedacht!“ Die 19 Schülerinnen und Schüler des Einstein-Gymnasiums in Angermünde waren vom Ergebnis ihrer Arbeit auf dem Bürgersteig wohl selbst am meisten überrascht. Als sie am Dienstagmorgen im Rahmen ihres Religionsunterrichts in die Jägerstraße kamen, waren die sechs Stolpersteine dort kaum noch zu erkennen. Vor einem Jahr, am 25.10.2012, waren sie als erste Angermünder Stolpersteine verlegt worden. Seitdem hatten sich ihre jeweils 10 x 10 cm großen Messingoberflächen auf Grund der Oxidation dunkel verfärbt. Deshalb war auch die Schrift auf den Steinen nicht mehr gut lesbar. 
Das änderte sich am Morgen des 22. Oktober jedoch sehr schnell. Die sechs Steine waren dicht umringt und die Schülerinnen und Schüler lösten sich bei ihrer Arbeit ab.
 
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Sie konnten mit Hilfe von Putzlappen, Edelstahlreiniger und viel Körpereinsatz die dunklen Verfärbungen entfernen und so den ursprünglichen Goldton der Stolpersteine wieder zum Leuchten bringen. Wie gut das gelang, überraschte sie selbst. Sie waren stolz auf dieses Ergebnis und darauf, dass sich alle engagiert beteiligt hatten.
Zum Abschluss einigten sich die Schülerinnen und Schüler darauf, der Holocaust-Opfer mit einer Schweigeminute direkt auf dem Bürgersteig zu gedenken. Der vorherige Lärm des Putzens wurde auf diese Weise von einer nachdenklichen Stille abgelöst.
 
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Jetzt leuchten die Steine wieder gut sichtbar. Sie erinnern an die Angermünder Eheleute Hugo und Rosa Gerson und an ihre vier Söhne Gerhard, Karl-Heinz, Günter und Wolfgang. Sie stehen stellvertretend für viele während des Dritten Reiches verfolgte und ermordete Angermünder Juden.

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