Alle Wege führen nach Rom

„Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen. ….“ Diese Worte Matthias Claudius‘  begleiteten uns – nicht immer beabsichtigt – auf unserer Studienfahrt in und durch die Ewige Stadt.
Am vergangenen Montag ging es los. 30 Schülerinnen und Schüler der 11. Jahrgangsstufe in Begleitung von vier Lehrern stellten sich mutig der Herausforderung, Rom bei über 35 Grad Celsius  und innerhalb von nur vier Tagen weitestgehend zu Fuß zu erkunden. Und ich nehme es schon vorweg: Es ist uns im Großen und Ganzen gelungen.
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Zuerst ging es bei hochsommerlichen Temperaturen mit ausschließlich sommerlichen Utensilien, genügend den Durst löschenden Getränken und großer Erwartung im Gepäck per Bahn und Bus zum Flughafen nach Berlin -Tegel. Einige bestiegen erstmals solch eine Maschine, deren Nutzung  für uns Landbewohner trotz Kenntnis ihrer statistisch ermittelten höchsten Sicherheit im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln immer mit einem gewissen Nervenkitzel behaftet ist. Aber alle erreichten tapfer das Ziel,  den Flughafen Fiumicino in Rom. Hier wurde der erste Verlust vermeldet – Naomis Koffer wollte partout nicht auf Flugreise gehen, sondern gesellte sich erst nach unserer Rückkehr am Freitag reumütig wieder zu ihrer Besitzerin.
Auch wenn sich die Suche nach unserem Bus  etwas in die Länge gezogen hatte, waren alle geduldig und wir erreichten bei Nacht unser Campingdomizil – eine Anlage mit unzähligen Drei-Bett-Bungalows mit Minibad, aber meist funktionierender Klimaanlage, die bei diesen tropischen Temperaturen unbedingt vonnöten war, einem Pool zum Erfrischen, einem Restaurant und Supermarkt. Wir hatten alles, was wir brauchten, und konnten den Tag erschöpft auf individuelle Art abschließen.
Der Dienstag hatte es in sich, denn unser Ziel bestand darin, in einer dreistündigen Exkursion unter fachkundiger Anleitung einer ansässigen Reiseleiterin in die früheste Geschichte der römischen Antike einzutauchen. Als wir die Metrostation „Colosseo“ verließen, bot sich uns ein überwältigender Anblick des „Flavischen Amphitheaters“, das später aufgrund der ehemals davor stehenden kolossalen Nero-Statue „Kolosseum“ genannt wurde. Im Dialog mit der Reiseleiterin frischten wir den Gründungsmythos um die Zwillinge Remus und Romulus auf, korrigierten die mythologische Geschichte aber schnell durch fachwissenschaftliche Erkenntnisse über die echte Stadtgründung auf dem Palatin. Wir schlenderten über das Forum Romanum und versetzten uns in eine Zeit, in der u.a. Caesar und Cicero hier die Geschicke der Stadt lenkten und sich Rom aufgrund von cleveren infrastrukturellen Entscheidungen (gemeint ist vor allem der Bau des Straßennetzes und die Absicherung der Stadt mit Trinkwasser) zu einer Weltmetropole entwickelte. Die Spuren der Wagen, die das Forum kreuzten, sind noch heute sichtbar. Auch wenn sicherlich einige der zahlreichen Fakten, die uns vermittelt wurden, schnell wieder in Vergessenheit geraten, so bleibt uns bestimmt das Bild der unter Pinienhainen begrabenen Überreste einer schon damals so lebendigen Stadt wie heute vor unserem geistigen Auge bestehen.
Verständlicherweise zeigten sich bei den Schülern erste Anzeichen von Erschöpfung und übermäßigem Sonnenkonsum. Diese konnten durch die in Rom überall vorhandenen Brunnen und durch kurzzeitige Flucht in den Schatten  etwas gemildert werden. Im sich anschließenden Rundgang durch das Kolosseum kamen endlich unsere kämpferischen männlichen Mitreisenden auf ihre Kosten, denn ihnen wurden die Aufstiegschancen und die Beliebtheit der Gladiatoren  beim römischen Publikum erläutert.
Auf unserem Weg lagen neben vielen anderen Sehenswürdigkeiten noch das Pantheon, eine eindrucksvolle Rundkirche aus der Kaiserzeit des 2. nachchristlichen Jahrhunderts. Es gilt als das besterhaltene Bauwerk der römischen Antike und war ursprünglich ein allen Göttern Roms geweihtes Heiligtum. Die Kreisöffnung in der Kuppel vermittelt einen tiefen und überzeugenden Eindruck  des engen Zusammenspiels von Himmel und Erde.
Ein letzter und der vielleicht prägendste  Höhepunkt des Tages war selbstverständlich die Besichtigung des Vatikans. In unserer Kleidung der katholischen Tradition folgend, betraten wir ehrfurchtsvoll den Petersdom und sahen uns die an Prunk und Großartigkeit kaum zu übertreffende Kathedrale an. Jeder tat dies auf seine Weise, viele jedoch sitzend, um den strapazierten Füßen etwas Ruhe zu gönnen.
Am Ende dieses Tages hätte auch keiner mehr siegreich als Schwertkämpfer die Arena verlassen können, denn wir waren viel zu müde und erschöpft, aber reich an interessantem historischem Wissen – körperlich und geistig ein Tag der Superlative, wie es oftmals in den Medien heißt. Belohnung für den anstrengenden Tag gönnten wir uns mit italienischem Eis oder anderen Köstlichkeiten in der Nähe des legendären Trevi-Brunnens, der leider noch immer im Zuge der Restaurierung von unschönen Baugerüsten umgeben ist.
Im Camp angekommen, erholte sich jeder auf seine Art – einer pflegte seine geschundenen Füße, der andere sprang sofort ins kühle Nass des Swimmingpools. Aber jeder spürte die ca. 20 km Fußmarsch, die hinter einem lagen.
Den Mittwoch mussten wir Lehrer mit unseren Schülern etwas ruhiger angehen, sonst  verlören diese jegliche Freude an historischen und kulturellen Schätzen, denn Ruhephasen und Pausen zum Verweilen an schönen Orten sind nicht minder wichtig auf  anspruchsvollen Erkundungen.   So genossen wir die Zeit an der Spanischen Treppe, hatten Gelegenheit, die gemütlichen Gassen um den Piazza di Spagna zu betreten, in Straßencafés zu verweilen oder einfach den Eindruck vom  quirligen Leben der Römer und Touristen in sich aufzunehmen.
Viel ausgeruhter als am letzten Tag machten wir uns auf den Weg zu den Katakomben der Domitilla, den größten und ältesten unterirdischen Grabanlagen Roms. Sie dienten heidnischen und christlichen Römern als letzte Ruhestätte. In einer sich unter dem Erdreich befindenden Säulenbasilika vermittelte uns ein Mitglied eines christlichen Ordens auf zeitgemäße und zuweilen spitzfindige Art und Weise nicht nur die Entstehungsgeschichte dieser Einrichtung, sondern auch einen Eindruck davon, dass nicht nur mit Lebenden, sondern auch mit Toten in Würde umgegangen wurde. Angst vor dem Tod hatten wir durch diesen besonderen Vortrag nicht mehr, nur davor, uns im Labyrinth der Gänge, die zusammen 17  km betrugen, zu verirren.
Ohne Orientierungsprobleme und im wahrsten Sinne des Wortes schon sehr „bewandert“, erreichten wir auch an diesem Tag mit neuen Eindrücken beschenkt unsere Unterkunft. Die Freizeit konnte beginnen.
Der letzte ganze Tag im heißen Italien nahm seinen Lauf, indem wir uns per Bahn aus der Stadt heraus Richtung Ostia bewegten. Wenn auch zwischendurch für kurze Zeit der Verlust eines eigentlich nicht zu übersehenden Schülers (Er misst über zwei Meter.) zu beklagen war, waren wir zuversichtlich, denn sprichwörtlich „führen all Wege  nach Rom“. Warum nicht auch nach Ostia?! Wieder vollzählig ging es zur Ausgrabungsstätte der Überreste einer antiken Hafenstadt – Alltagsgeschichte pur. Wir sollten innerhalb von drei Stunden den Ort anhand archäologischer Funde erkunden und dies dokumentieren. Hier bitten wir für das nächste Mal um eine wenigstens geringfügige Reduzierung der Pflichtaufgaben. Wer wie ich diese das erste Mal bearbeitete, hatte kaum Gelegenheit für individuelle Betrachtungen  der Anlage. Am gemeinsamen Treffpunkt, nämlich dem Theater, wagten  sogar einige  Schüler den Schritt auf die große Bühne. Manuel deklamierte den Monolog eines mystisch anmutenden Jugendstücks, andere traten  spontan mit rhythmischen Einlagen auf und zeigten keinerlei Hemmung, als gleichzeitig Profis die Bühne für ihre Veranstaltung betraten. Bleibt so mutig!
Verdientermaßen hieß es anschließend: Ab an den Strand! Nicht alle machten von dieser Möglichkeit Gebrauch, einige bevorzugten wohl eher das Poolwasser.
Auch dieser Abend verlief dank unserer folgsamen, selbstständigen und zuverlässigen Schüler erholsam und gemütlich. Spätestens hier merkten wir, wie schnell doch die Zeit in Rom vergangen ist und dass es noch so viel zu entdecken gibt.
Der Freitag sollte ein Tag zur freien Gestaltung sein, um etwas, was nicht auf unserem Programm stand, auf eigene Faust und mit mittlerweile bester Ortskenntnis zu erkunden. Für die meisten war das Erkundungsziel der Pool, was akzeptiert werden musste. Aber auch ohne festes Ziel wurde es uns nicht langweilig, denn der Verlust eines Reisedokuments stellte uns auf die harte Probe, ob die nötigen Telefonate und Ämtergänge zu diversen Polizeistationen und zur deutschen Botschaft noch vor unserem Abflug zu erledigen sind. Wir schafften auch diese Hürde mit Bravour, wenn auch im Dauerlauf. Richtig spannend wurde es, als ein weiteres Dokument wenige Minuten vor dem Boarding verloren ging. Es genügte den Beamten jedoch ein Blick auf andere Ausweise, wie veraltete Schülerdokumente, Busfahrkarten, Klassenlisten oder einfach in unsere verschüchterten oder verstörten Blicke, so dass man uns ohne weiteres gen deutsche Heimat schickte. Den Abflug konnte nicht einmal ein im Koffer in Betrieb gesetzter Rasierapparat verhindern. Wir mussten zurück. Man wollte es so. Aber vielleicht kommen wir wieder, denn vergessen wollen wir alle kleinen Pannen, materiellen Verluste, Sonnenbrand, Schlafmangel und auch die geschundenen Füße. Goethe, der sich bekanntlich auch in Rom inspirieren ließ, schrieb seinerzeit: „Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen.“
Bewahren wir uns die positiven Erinnerungen dieser Studienfahrt, die wir gemeinsam gestaltet haben. Alles andere ist unproduktiv. Hinweise, die konstruktiv sind, müssen Beachtung und Berücksichtigung finden.
Schöne Ferien und noch weitere aufregende Reisen wünscht allen Schülern und Lehrern
Ines Eichhorn.
 

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